Forschung: Menschenhaut aus der Fabrik

Am Fraunhofer-Institut in Stuttgart wird menschliches Gewebe industriell gefertigt.

Stuttgart. Haut aus der Fabrik — das klingt zunächst wie ein Science-Fiction-Szenario aus der Filmindustrie. Am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik ist diese Vorstellung aber Realität. Dort nimmt eine Hautfabrik ihren Betrieb auf, in der menschliches Gewebe erstmals industriell gefertigt wird. Ein Verfahren, durch das Transplantate kostengünstiger und schneller hergestellt werden können. Es ist der Anfang einer Entwicklung, an deren Ende sogar die Züchtung von Organen wie Lunge und Leber durch Maschinen stehen könnte.

Die künstliche Züchtung menschlicher Haut wird seit einigen Jahren angewandt. Allerdings in Handarbeit, die Kultivierung dauert sechs Wochen. „Das Problem war bisher, dass sich die Produkte nicht standardisiert fertigen lassen. Das macht die Herstellung sehr teuer“, erklärt Projektleiterin Heike Walles.

Das soll sich mit der Hautfabrik, die vier Fraunhofer-Institute gemeinsam entwickelt haben, ändern. Weiße Roboterarme übernehmen jetzt die mühsame Handarbeit der Forscher. „Uns ist es zum ersten Mal gelungen, eine durchgehende Prozesskette in einer einzigen Anlage zu realisieren“, sagt Walles.

Die Hautproben werden maschinell sterilisiert und zerkleinert, damit sich einzelne Hautzellen entnehmen lassen und zum Wachsen gebracht werden können — nach drei Wochen ist die künstliche Haut fertig. Sie ist weißlich, fast durchsichtig, kann aber auch in dunkleren Nuancen hergestellt werden. Die Fabrik soll monatlich etwa 5000 briefmarkengroße Hautmodelle züchten — 50 Euro je Stück sollen sie kosten.

Im Augenblick dient das Gewebe aus der Hautfabrik vor allem der Pharma- und Kosmetikindustrie. „Wir produzieren sogenannte Testgewebe, die als Alternative für Tierversuche genutzt werden können“, sagt Walles. „Prinzipiell könnte man die künstliche Haut bereits implantieren, aber die neue Herstellungsweise muss erst für die Medizin genehmigt werden. Wir rechnen in frühestens fünf Jahren damit“, sagt Mitarbeiterin Michaela Kaufmann.

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