Neue Spur vom Urahn: Menschen könnten weit älter sein

Berlin (dpa) - Frühmenschen der Gattung Homo könnten nach einer neuen Analyse schon vor 2,8 Millionen Jahren gelebt haben - und damit 400 000 Jahre früher als bisher angenommen.

Neue Spur vom Urahn: Menschen könnten weit älter sein
Foto: dpa

Das habe die Untersuchung eines 2013 in Äthiopien gefundenen Knochenfragments ergeben, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Science“.

Bei dem Fundstück handelt es sich um eine linke Unterkieferhälfte mit fünf Zähnen. Die Form des Kiefers und der Zähne lasse darauf schließen, dass es sich bereits um einen Vertreter der Gattung Homo handelt - und nicht um einen der berühmten „Lucy“ nahestehenden Urahn. Dieses 3,2 Millionen Jahre alte Skelett, das 1974 ebenfalls in Äthiopien gefunden wurde, wird zur - ausgestorbenen - Gattung Australopithecus gezählt. Aus einem Vertreter dieser Gruppe entwickelte sich wahrscheinlich die Gattung Homo, so die derzeit gängige Annahme.

„Der neue Fund ist eine weitere Bestätigung für die Evolution“, erläutert Faysal Bibi, der für das Berliner Naturkundemuseum an den Auswertungen beteiligt war. Menschliche Merkmale zeigten sich demnach früher als bislang angenommen. Noch sei es aber wie bei einem Puzzle. „Wir kennen jetzt ein Stück mehr - aber noch nicht die ganze Geschichte“, ergänzt Bibi. In der Zeitspanne vor 2,5 bis 3 Millionen Jahren, aus der es bisher kaum Fundstücke gibt, existierten vermutlich mehrere frühe Homo-Linien. Der heutige moderne Mensch - der seit etwa 200 000 Jahren existierende Homo sapiens - gilt als einziger Überlebender der Gattung.

Noch wissen die Forscher nicht, wie der Frühmensch, dessen Unterkiefer nun entdeckt wurde, aussah. Klar ist aber, dass er - wie auch „Lucy“ schon - auf zwei Beinen lief. Er lebte in einem Grasland mit Büschen und Wäldchen. Es gab Antilopen, prähistorische Elefanten, eine Nilpferd-Art, Krokodile und Fische, belegen Tier-Fossilien aus dieser Zeit. Ob der Frühmensch ein Jäger war und Fleisch aß? „Vielleicht, wir wissen es aber nicht“, sagt Bibi. Die frühesten Werkzeuge, die bisher gefunden wurden, seien 2,6 Millionen Jahre alt. Ob der Frühmensch Feuer machen konnte oder sich Behausungen baute, ist auch unbekannt.

Das heutige Äthiopien gilt wegen seiner aufsehenerregenden Fossilienfunde als eine Wiege der Menschheit. Das nun entdeckte Stück aus dem Ledi-Geraru-Gebiet in der Afra-Region könnte möglicherweise einem Vorfahren von Homo habilis oder einer anderen Art der Gattung Homo gehört haben, vermutet Fred Spoor, der am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht. Forscher haben hier jüngst das Aussehen des Frühmenschen Homo habilis (geschickter Mensch) mit Hilfe von 1,8 Millionen Jahre alten Fossilien aus Tansania und modernen bildgebenden Verfahren rekonstruiert. Neben der Gehirngröße ist dabei auch die Form des Unterkiefers wichtig, schreiben die Forscher in der Zeitschrift „Nature“.

„Komplexe statistische Analysen zeigen Gestaltunterschiede zwischen den Unterkiefern verschiedener Frühmenschenarten, die manchmal so groß sind wie die Unterschiede zwischen Schimpansen und heute lebenden Menschen“, berichtet Max-Planck-Forscher Philipp Gunz. Für die Leipziger Forscher ist es deshalb ein Glück, dass in Äthiopien nun ausgerechnet ein Kieferstück gefunden wurde. Sie halten es für ein plausibles evolutionäres Bindeglied zwischen „Lucy“ und späteren Fundstücken des Homo habilis - ein Übergangsfossil sozusagen.

Bisher wurden die ältesten Homo-Fossilienfunde auf ein Alter von 2,3 oder 2,4 Millionen Jahre datiert, berichten die Forscher um William Kimbel von der Arizona State University in Tempe im Fachblatt „Science“. Weil ausgerechnet in der Zeit zwischen diesen Knochenfunden und der deutlich älteren „Lucy“ die Geburtsstunde des Menschen vermutet wird, ist das neu entdeckte Fossil so spannend: Es wird nach Angaben der Forscher mit Hilfe von Röntgentechnik auf ein Alter von 2,75 bis 2,8 Millionen Jahre datiert.

Dies war eine Zeit des Umbruchs. „Das Klima veränderte sich. Es wurde deutlich trockener“, berichtet der Berliner Forscher Bibi. Noch wisse man aber viel zu wenig, um darauf schließen zu können, dass die menschliche Gattung Homo möglicherweise das Ergebnis eines Klimawandels sein könnte. Dazu würden weitere Funde benötigt. In dem Wüstengebiet in Äthiopien, in dem heute Nomadenstämme leben, wird weiter nach Spuren von Frühmenschen gesucht.

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