Wildgänse meistern Langstreckenflüge ohne Training

London (dpa) - Anders als Marathonläufer benötigen Wildgänse für ihre Langstreckenflüge offenbar kein vorheriges Konditionstraining.

Das haben Untersuchungen von Weißwangengänsen ergeben, die jedes Jahr im Herbst rund 2500 Kilometer von ihren Brutplätzen in Spitzbergen zu den Überwinterungsgebieten im Südwesten Schottlands zurücklegen. Die Vögel flogen vor ihrer langen Reise nicht mehr oder öfter als zuvor, berichtet das Forscherteam im Fachjournal „Biology Letters“.

Bevor Zugvögel ihre Langstreckenflüge starten, nimmt das Volumen ihrer Herz- und Flugmuskulatur für gewöhnlich zu, während sich andere Organe zeitweise sogar verkleinern. Damit optimieren die Tiere ihre Flugkapazität und vermeiden unnötigen Ballast. Die Forscher um Steven J. Portugal von der University of Birmingham fanden nun Gegenbeweise zur bisherigen Annahme, wonach dies unter anderem mittels Flugtraining geschieht.

Bei acht freilebenden Weißwangengänsen (Branta leucopsis) aus Spitzbergen implantierten die Forscher kleine Datenspeicher, die rund ein Jahr lang alle fünf Sekunden den Herzschlag der Tiere dokumentierten. Frequenzen im Bereich von 285 bis 400 Schlägen pro Minute ordneten die Wissenschaftler einer Flugphase zu. Betrug diese erstmals mehr als 30 Minuten, wurde sie als Beginn der Zugperiode eingestuft.

Die Auswertung der Daten von sechs wieder eingefangenen Tieren zeigte keine Hinweise auf ein spezielles Flugtraining vor Antritt des Langstreckenfluges, wenngleich die Forscher individuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Tieren beobachten konnten. Obwohl die Muskelmasse der Vögel für die Studie nicht gemessen wurde, gehen die Forscher davon aus, dass sich diese, wie bereits mehrfach für Weißwangengänse beschrieben, vor Beginn der Langstreckenflüge erhöht haben muss.

Dies hänge nach Angaben der Forscher vermutlich mit der allgemein beobachteten Zunahme des Körpergewichts der Zugvögel vor Antritt der langen Reise zusammen. Demnach würden die Flugmuskeln durch die erhöhte Belastung gekräftigt und die Tiere müssten trotzdem nicht länger als die durchschnittlichen 22 Minuten am Tag im Flug verbringen. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist dies eine effektive Strategie, um energiezehrendes Flugtraining zu vermeiden und stattdessen die Fettreserven für die anstrengenden Langstreckenflüge aufzusparen.

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