Analyse: Die Lage zwischen Israel und Libanon ist explosiv

Nach dem plötzlichen Ausbruch von Gewalt wächst die Angst vor einem neuen Nahost-Krieg.

Tel Aviv. Vier Tote wegen eines kleinen Baums im Grenzgebiet? Nach dem blutigen Gefecht an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon stellt sich die Frage, warum eine solchen Lappalie zu einer derart gefährlichen Konfrontation zwischen den Armeen der verfeindeten Nachbarn führen konnte.

Die erste Auseinandersetzung dieser Art seit dem Libanon-Krieg vor vier Jahren schürte in der Region die Furcht vor einem neuen Waffengang. Die Situation zwischen Israel und dem Libanon ähnelt der zweier aufs Blut verfeindeter Nachbarn, deren Gärten nur durch einen Zaun getrennt sind und die sich ständig misstrauisch belauern.

Obwohl die Situation in den vergangenen vier Jahren weitgehend ruhig blieb, liegt die Spannung immer in der Luft. Da kann auch ein kleiner Funke leicht überspringen und einen Flächenbrand auslösen. Seit Monaten wird zudem ein neuer Krieg in der Region herbeigeredet - daher besteht auch die Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Die Kämpfe am Dienstag entzündeten sich daran, dass israelische Truppen im Grenzstreifen mit einem Kran einen Baum fällten und Gestrüpp entfernten. Die internationale Beobachtertruppe Unifil bestätigte am Mittwoch die israelische Version, derzufolge die Soldaten dabei nicht auf libanesisches Gebiet vordrangen.

Israel will in dem gefährlichen Gebiet stets für gute Sicht sorgen, damit libanesische Milizen sich nicht im Schutz von Bäumen und Sträuchern unbemerkt der Grenze nähern können. Die Armee ist dort ständig auf der Hut, weil sie befürchtet, Kämpfer der pro-iranischen Hisbollah könnten erneut versuchen, israelische Soldaten aus dem Grenzgebiet zu entführen. Eine solche Entführung hatte im Sommer 2006 den einmonatigen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah ausgelöst.

Der Libanon sieht sich hingegen als Opfer israelischer Grenzverletzungen. Die Tatsache, dass an dem Gefecht libanesische Soldaten und keine Hisbollah-Kämpfer beteiligt waren, wird in Israel mit Sorge registriert. "Der schiitische Radikalismus dringt immer tiefer in die libanesische Armee ein", sagte der israelische Experte für strategische Studien, Efraim Inbar. "Es ist die Fortsetzung der Machtübernahme der Hisbollah im Libanon."

Nach internationalen Aufrufen zur Mäßigung konnte Unifil am Mittwoch neue Spannungen im Grenzgebiet zunächst entschärfen, obwohl die israelische Armee weiter Gestrüpp entfernte. Doch die Lage bleibt explosiv. "Wir leben im Nahen Osten, wir wissen nicht, was morgen passieren kann", sagt der israelische Strategie-Experte Inbar mit einem bitteren Lachen.

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