Auf die Flucht folgt neues Grauen

In den türkischen Auffanglagern fehlt es an Wasser und Brot

Kilis. Hätten sie gewusst, was sie in der Türkei erwartet, wären sie vielleicht in Syrien geblieben. Rund 15 000 Flüchtlinge fristen in einer Container- und Zeltstadt in Öncüpinar nördlich der syrisch-türkischen Grenze ihr Leben. In dem Notlager macht sich Verzweiflung breit. Viele Flüchtlinge klagen über Hunger, mangelhafte Wasserversorgung und schlechte Behandlung durch türkische Ordnungskräfte. Sie fühlen sich, als seien sie auf ihrer Flucht vor den Gefechten in Syrien und den Handlangern der Führung unter Präsident Baschar al-Assad vom Regen in die Traufe geraten.

„Wir sind vor Assad geflohen, aber hier werden wir genauso behandelt“, klagt Sabri Hallac. Er ist sicher: „Alle werden hier verhungern.“ Die Flüchtlinge hätten kein Geld, für Brot werde ihnen aber viel Geld abverlangt. Ein Laib koste eine türkische Lira, rund 45 Euro-Cent. „Wir haben seit drei Tagen nichts zu essen“, fällt ein anderer Flüchtling ein.

Die türkischen Behörden wollen sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Sie verweisen darauf, dass bereits umgerechnet 165 Millionen Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge ausgegeben worden seien. 40 000 Syrer haben sich in den vergangenen Monaten in die Türkei geflüchtet, vor allem seit dem Jahreswechsel, denn im Dezember 2011 waren es erst 10 000. Die Flüchtlinge sind in insgesamt zehn Lagern entlang der Grenze untergekommen. Immer wieder gibt es Proteste gegen die kargen Lebensbedingungen und die veralteten Einrichtungen.

In dem Lager in Islahiye, 90 Kilometer westlich von Öncüpinar, wurden bei gewalttätigen Zusammenstößen sieben Menschen verletzt. Im Lager Yayladagi in der Provinz Hatay kam Anfang Juli ein Paar bei einem Brand ums Leben, der durch einen Kurzschluss ausgelöst worden war. „Tötet uns — dann seid ihr uns los“, ruft eine Frau, ihr Baby im Arm, als eine Abteilung türkischer Polizisten am Lager vorbeimarschiert. Der Verzweiflungsschrei bezieht sich auf die von anderen Flüchtlingen erhobenen Vorwürfe, bei Konflikten mit den Ordnungshütern seien zwei protestierende Flüchtlinge getötet worden.

Die Hitze ist schrecklich, kein Baum spendet Schatten. „Wir haben kein Wasser“, klagt Ahmed Abbas. Er pfeift auf die Lebensmittelkarten, die von den Türken verteilt werden. „Wir brauchen Geld und Waffen für unsere Kämpfer!“ Der türkische Grenzposten Al-Salama liegt in Blickweite. Seit Sonntag wird er von den syrischen Aufständischen kontrolliert. Mittlerweile haben die Rebellen drei von sieben Grenzübergängen zur Türkei im Handstreich erobert. Einige Flüchtlinge, denen die Behandlung in der Türkei nicht mehr passte, haben sich deshalb auf den Weg in ihre Heimat gemacht.

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