Ägypten: 63,8 Prozent sagen Ja zu neuer Verfassung

Istanbul/Kairo (dpa) - Die inoffiziellen Zahlen sind nun bestätigt: Auch wenn die Mehrheit der Ägypter gar nicht zu den Wahlurnen gegangen war, hat sich eine Mehrheit für die umstrittene, von Islamisten geschriebene Verfassung gefunden.

Fast zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitpräsident Husni Mubarak hat Ägypten eine neue, wenn auch umstrittene Verfassung. Wie die Wahlkommission am Dienstag bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz in Kairo verkündete, billigte eine Mehrheit von 63,8 Prozent das fast ausschließlich von Islamisten geschriebene Regelwerk. Allerdings hatten sich nur 33 Prozent der rund 52 Millionen wahlberechtigten Ägypter an dem Referendum beteiligt. Die Verfassung gibt den Islam-Gelehrten künftig mehr Einfluss und wird von Liberalen, Linken und Christen heftig kritisiert.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reagierte zurückhaltend auf das offizielle Ergebnis der Volksbefragung. „Ich nehme zur Kenntnis, dass die Mehrheit für die Verfassung gestimmt hat. Ich nehme ebenfalls zur Kenntnis, dass die Wahlbeteiligung bei 33 Prozent lag“, teilte sie am Dienstagabend mit. Ashton begrüßte das „friedliche und geordnete Umfeld“ der Stimmabgabe. Sie rief zu verstärkten Gesprächen der politischen Lager auf und appellierte dabei insbesondere an Präsident Mohammed Mursi.

Die USA forderten Mursi auf, die Kluft in der gespaltenen Gesellschaft Ägyptens zu überbrücken. Zugleich riefen sie nach dem Referendum zu Verhandlungen und Kompromissen auf. Washington werde Kairo weiterhin bei dem demokratischen Übergang helfen, sagte Außenamtssprecher Patrick Vernell. „Und wir hoffen, dass sich alle Seiten erneut einsetzen, um Gewalt zu verurteilen und zu verhindern.“

Die ägyptische Opposition befürchtet durch die neue Verfassung eine strengere Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, die wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleibt. Sie sehen sich in dem Verfassungsentwurf nicht repräsentiert. Deshalb hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder heftige Proteste und zum Teil tödliche Krawalle gegeben.

Der Vorsitzende der Wahlkommission, Samir Abu al-Maati, ging bei der Vorstellung der Ergebnisse auch auf die Beschwerden von Aktivisten ein, die zahlreiche Verstöße gegen das Wahlrecht monierten und das Referendum anfechten wollen. Weil einige Wahllokale später geöffnet hätten, seien die Öffnungszeiten landesweit verlängert worden, erläuterte Al-Maati. Die Stimmen aus jenen Wahllokalen, die dennoch früher geschlossen hätten, würden in der Auswertung nun nicht mehr berücksichtigt. Die Beschwerden sollten im Internet veröffentlicht werden.

Binnen zwei Monaten muss nun ein neues Parlament gewählt werden. Die Bekanntgabe des Wahltermins wird in den kommenden Tagen erwartet. Das erste nach dem Arabischen Frühling gewählte Unterhaus war im Sommer von einem Gericht aufgelöst worden. Darin hatten die Islamisten eine deutliche Mehrheit.

Am Mittwoch soll aber zunächst der Schura-Rat, das Oberhaus im Parlament, zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Der islamistische Präsident Mohammed Mursi hatte erst am Wochenende das noch fehlende Drittel der 270 Mitglieder der zweiten Parlamentskammer ernannt. Zwei Drittel der Mitglieder hatten ihr Schura-Mandat bei den Wahlen zu Jahresbeginn 2012 errungen. Die Schura soll so lange Gesetze beschließen, bis ein neues Parlament gewählt ist.

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