Ägyptens Opposition zieht zum Präsidentenpalast

Istanbul/Kairo (dpa) - Bei Massenprotesten gegen die Pläne von Präsident Mohammed Mursi für eine Islamisierung Ägyptens ist es zu Ausschreitungen vor dem Präsidentenpalast in Kairo gekommen.

Wie ägyptische Staatsmedien berichteten, brachen die Krawalle aus, als Aktivisten versuchten, eine Absperrung der Sicherheitskräfte zu überwinden. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Zuvor hatten sich Tausende Oppositionelle auf den Weg in den Stadtteil Heliopolis gemacht. Am Abend strömten immer mehr Demonstranten in Richtung Präsidentenpalast. Es habe 18 Verletzte gegeben, meldete das Staatsfernsehen nach den ersten Zusammenstößen von Sicherheitskräften und Aktivisten. Nach Informationen der Zeitung „Al-Ahram“, die sich auf hochrangige Sicherheitskreise berief, hatte Mursi zuvor seinen Amtssitz verlassen.

Seit dem frühen Nachmittag hatten sich Demonstranten auf dem zentralen Kairoer Tahrirplatz unter dem Motto „letzte Warnung“ versammelt, wo schon seit fast zwei Wochen Oppositionelle kampieren. Aufgerufen dazu hatten mehrere liberale und linke Parteien sowie revolutionäre Gruppen.

Auch mindestens elf Zeitungen waren am Dienstag aus Protest gegen Mursis autoritären Führungsstil nicht erschienen. Der englischsprachige Online-Auftritt der unabhängigen Tageszeitung „Al-Masry al-Youm“ war zeitweise schwarz. Dabei erklärten die Medienmacher mit Hinweis auf den Arabischen Frühling: „Sie lesen diese Botschaft, weil Egyptindependent Einspruch gegen die fortdauernde Einschränkung der Pressefreiheit erhebt, insbesondere nachdem Hunderte Menschen (in Ägypten) ihr Leben für Freiheit und Würde geopfert haben.“

Die Partei der Muslimbruderschaft „Freiheit und Gerechtigkeit“ rief die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben. Die Oppositionsführer wie Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei und der Politiker Hamdien Sabahi seien persönlich dafür verantwortlich, betonten die Islamisten vor Beginn der Veranstaltung. Schließlich habe es auch bei den Aktionen der Muslimbruderschaft am Wochenende keine Gewalt gegeben.

Die Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ berichtete derweil unter Berufung auf das Umfeld Mursis, dass der Präsident eine Reihe von Beratungen mit ägyptischen Politikern über die derzeitige Krise geführt habe - wichtige Oppositionsaktivisten seien aber nicht dabei gewesen. „Der Präsident hat die Tür für einen Dialog geöffnet, aber niemand hat bislang geantwortet“, hieß es. Mursis Sprecher, Jasser Ali, teilte auf seiner Facebook-Seite mit, dass mit mehreren Mitgliedern des Kabinetts Vorbereitungen für das Verfassungsreferendum getroffen würden.

Über die neue Verfassung soll am 15. Dezember abgestimmt werden. Durch die darin enthaltene Ausweitung des Einflusses islamischer Gelehrter wächst die Sorge, dass dies ein erster Schritt in Richtung Gottesstaat sein könnte. Der Entwurf wird vor allem von linken und liberalen Kräften, aber auch von der christlichen Minderheit in Ägypten kritisiert. Er wurde in der Vorwoche im Eilverfahren durchgepeitscht von einem Gremium, das von Islamisten dominiert ist. Die Vorlage verleiht der Scharia und den islamischen Rechtsgelehrten ein noch stärkeres Gewicht bei der Gesetzgebung als bisher.

Die jüngste Krise hatte zuvor aber schon ein Verfassungsdekret Mursis ausgelöst. Der Präsident hatte damit seine Machtbefugnisse auf Kosten der Justiz stark erweitert.

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