Al-Gansuri wird Quasi-Präsident in Ägypten

Kairo (dpa) - Der umstrittene neue Übergangsregierungschef Ägyptens, Kamal al-Gansuri, soll mit weitreichenden Machtbefugnissen ausgestattet werden. Das meldeten arabische Medien unter Berufung auf Angehörige des Militärrates, der die Macht nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak übernommen hatte.

Al-Gansuri will noch in dieser Woche sein Kabinett vorstellen. Den Berichten zufolge will ihm der Militärrat, der in den vergangenen Monaten von mehreren Parteien wegen seines an Mubaraks Zeiten erinnernden Herrschaftsstils kritisiert worden war, alle Befugnisse des Präsidenten übertragen, mit Ausnahme der Entscheidungsgewalt in Justiz- und Militärbelangen.

Die Generäle hatten Al-Gansuri den Auftrag erteilt, eine neue Regierung zu bilden, nachdem Massenproteste zum Rücktritt der Vorgängerregierung von Essam Scharaf geführt hatten. Al-Gansuri war unter Mubarak von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Viele ägyptische Demokratie-Aktivisten lehnen ihn deshalb als „Teil des alten Systems“ ab.

Am vierten Tag der ägyptischen Parlamentswahl waren unterdessen erste Anzeichen von Wahlmüdigkeit zu erkennen. In Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen, in denen am Dienstag die zweitägige Stichwahl endete, gingen nach Angaben von Beobachtern nicht sehr viele Wähler zu den Urnen. Ägyptische Wahlbeobachter berichteten, in der Provinz Assiut hätten Anhänger der islamistischen Muslimbruderschaft und der radikal-islamischen Partei des Lichts mit kostenlosen Transportmitteln und religiösen Parolen versucht, Muslime zu den Wahllokalen zu bringen. Ihr Ziel sei es gewesen, den Wahlsieg eines christlichen Kandidaten zu verhindern.

Nach der bisherigen Auszählung liegen die Muslimbrüder und die Partei des Lichts bei der Parlamentswahl auf den Plätzen eins und zwei. Die Ägyptische Allianz der Liberalen und Linken belegt den dritten Platz. Weniger als fünf Prozent der Stimmen erhielten die Parteien der sogenannten Revolutionäre, die im Februar zum Sturz von Präsident Husni Mubarak beigetragen hatten.

Die Parlamentswahl findet in den 27 Provinzen in drei Phasen statt, wobei es jeweils eine Stichwahl gibt. Das Endergebnis soll am 13. Januar vorliegen. Nach dem ersten Urnengang Ende November hatte die Wahlkommission zuerst von einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent gesprochen. Später korrigierte sie dann etwas kleinlaut ihre Angaben. Der Wahlleiter sprach von einem Rechenfehler und erklärte, es hätten wohl doch nur 52 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht.

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