Analyse: Libyens steiniger Weg zur Demokratie

Die Bildung einer Regierung ist auch im zweiten Anlauf gescheitert. Nun drohen Grabenkämpfe.

Tripolis. „Ich danke Gott, dass er mich von dieser Verantwortung befreit hat, um die ich nicht gebeten hatte.“ Mit diesem Seufzer verabschiedete sich Mustafa Abu Schagur in der Nacht zu Montag aus dem Amt. Nachdem das libysche Parlament zum zweiten Mal binnen einer Woche eine von ihm erstellte Kabinettsliste abgelehnt hat, ist er als Ministerpräsident erledigt. Wer an seine Stelle rücken soll, weiß niemand. Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück: Das ist der Rhythmus der jungen libyschen Demokratie.

Nun soll die ungeliebte Übergangsregierung von Abderrahim al-Kib zunächst die Geschäfte weiterführen. Einen Termin für eine Abstimmung über einen neuen Ministerpräsidenten gibt es noch nicht. Einige Medien bringen Ibrahim al-Dabaschi als möglichen Regierungschef ins Gespräch. Der Diplomat war einer der ersten Funktionäre des Regimes von Muammar al-Gaddafi, die sich der Revolution anschlossen. Auch der Chef der größten Fraktion im Parlament, Mahmud Dschibril, kann sich wieder Hoffnungen machen. Er hatte im September auch für den Posten des Regierungschefs kandidiert.

Vor allem junge Libyer fürchten, dass nach dem Ausscheiden des Kompromisskandidaten Abu Schagur jetzt ein langes Kräftemessen zwischen der liberalen Allianz von Dschibril und den islamistischen Muslimbrüdern beginnen wird. Wie schwierig es ist, in einem Land ohne demokratische Tradition eine Regierung zu bilden, lässt sich aus den frustrierten Kommentaren von Abu Schagur herauslesen. Den nicht-parteigebundenen Abgeordneten, die mit 120 Mandaten den größten Block im Parlament bilden, warf er vor, ihnen sei es unabhängig von der Qualifikation einzig und allein darum gegangen, dass er einen Minister aus ihrem Wahlbezirk auswählt.

Auch viele Libyer kritisieren ihre Abgeordneten. Diese versammelten sich gestern, um zu besprechen, wie es nun weitergehen soll. Doch anstatt neue Kandidaten zu benennen, begannen sie eine hitzige Debatte darüber, ob sie nun einen Regierungschef aus den eigenen Reihen oder von außerhalb wählen sollen.

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