Der Papst in Straßburg: Weckruf für einen müden Kontinent

Papst Franziskus erinnert die Europäer an ihre Grundwerte und mahnt mehr Menschlichkeit an — vor allem mit Flüchtlingen.

Straßburg. Für Papst Franziskus, den Besucher aus Rom, ist diese Reise ins nördliche Straßburg ungewöhnlich: Es fehlen die Zehntausende, die seine Ankunft sonst frenetisch bejubeln, und er fährt nicht im Papamobil zu einer großen Open-Air-Messe mit seinen Katholiken. An diesem Tag ist Jorge Mario Bergoglio (77) nur als moralischer Führer ohne politische Macht geladen, nicht als Oberhirte. Er hat einen Aufruf an Europa mitgebracht.

Der Argentinier hat mit seinem Kurzbesuch in Straßburg das „etwas gealterte“ Europa aufzurütteln versucht. Bekannt für offene und kritische Worte, enttäuschte er auch die Zuhörer im EU-Parlament der 28 Mitglieder und dann im Europarat der 47 Länder nicht.

Vor allem mit der Migrationspolitik der EU ging er hart ins Gericht — dies gipfelte in dem Satz vor dem Europaparlament: „Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird.“ Der Argentinier, der seine erste Reise als Pontifex auf Italiens Flüchtlingsinsel Lampedusa machte, wird Europa daran messen, wie es mit Migranten umgeht.

Sein Besuch galt als richtungsweisend für die Europäer in Zeiten vielfältiger Krisenherde und gesellschaftlicher Spannungen: Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, gesellschaftliche Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit und Armut mitten in den Wirtschaftskrisen. Franziskus hat die Vision, dagegen ein Europa zu setzen, das zum Frieden erzieht und in Konflikten vermittelt.

Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), dessen Einladung er gefolgt war, betonte denn auch die Bedeutung des päpstlichen Besuchs für die Stärkung Europas: „Ihre Worte bieten eine Orientierung in Zeiten der Orientierungslosigkeit.“ Der Vertrauensverlust der Menschen in Europa sei enorm, so Schulz.

Ein Hubschrauber kreiste über dem Parlament, auf dem Dach war ein Scharfschütze zu sehen. In Sachen Sicherheit galt es kein Risiko einzugehen, auch wenn dieser hohe Besuch kaum vier Stunden in der Europa-Stadt verbrachte. Um die Europäer zu wecken. Denn sie sollten wieder werden, was sie waren: „Ein kostbarer Bezugspunkt für die gesamte Menschheit.“

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