Erfolgreiche Aussöhnung: Friedensnobelpreis für die EU

Oslo (dpa) - Die Europäische Union hat für sechs Jahrzehnte erfolgreicher Aussöhnungspolitik den Friedensnobelpreis erhalten.

Die EU habe entscheidend daran mitgewirkt, Europa von einem Kontinent des Krieges zu einem Kontinent des Friedens zu machen, sagte der Chef des Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, in seiner Laudatio am Montag in Oslo. Bei dem Festakt stand das deutsch-französische Verhältnis als Kern der europäischen Friedenspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum der Würdigungen.

Stellvertretend für die 500 Millionen Europäer nahmen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Europaparlamentspräsident Martin Schulz die mit umgerechnet 927 000 Euro dotierte Auszeichnung entgegen. Das Preisgeld kommt einem Hilfsprojekt für Kinder in Kriegsgebieten zugute. Die erkennbar gerührte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande grüßten mit gemeinsam erhobenen Armen aus der ersten Zuhörerreihe in den Osloer Rathaussaal.

Van Rompuy erinnerte daran, warum die EU einst aus der Taufe gehoben wurde. „In einer Zeit der Unsicherheit erinnert dieser Tag die Menschen in Europa und in aller Welt an den fundamentalen Zweck der Europäischen Union: Die Verbrüderung der europäischen Nationen voranzutreiben, jetzt und in der Zukunft“, sagte er. Er schloss seine Dankesrede mit den Worten: „Ich bin ein Europäer“ - auf Deutsch, Französisch und Englisch.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Vergabe des Friedensnobelpreises als „unglaublich ermutigend“. Dem Sender RTL sagte sie am Montag in Oslo: „Ich glaube, dass es ein wunderbarer Moment ist, einmal darüber nachzudenken, was unsere Vorgänger geschaffen haben - von Konrad Adenauer über Helmut Kohl, von Schuman über Monnet und viele, viele andere. Aber es ist vor allem für die, die heute politisch aktiv sind, eine Ermutigung, nicht nachzulassen.“ Die Franzosen Robert Schuman und Jean Monnet waren Wegbereiter der europäischen Einigung. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel würdigte die Preisverleihung als „starkes Signal in schwieriger Zeit“. Die Auszeichnung sei auch Mahnung, sich in der Krise nicht auseinanderdividieren zu lassen.

Neben Norwegens König Harald V. sowie Merkel und Hollande gehörten knapp 20 weitere Staats- und Regierungschefs aus den 27 EU-Mitgliedsländern zu den Teilnehmern der Zeremonie. Der Feier in Norwegens Hauptstadt demonstrativ ferngeblieben war der euroskeptische britische Premierminister David Cameron. Der Konservative wurde vom liberalen und deutlich europafreundlicheren Vizepremier Nick Clegg vertreten.

In Großbritannien wird derzeit offen über einen Austritt aus der EU diskutiert. Wegen solcher Abspaltungsgedanken, aber auch wegen der weiter ungelösten Eurokrise, zäher Haushaltsverhandlungen und schwindender Solidarität unter den Mitgliedsstaaten steckt die EU derzeit in einer tiefen Krise. Parlamentspräsident Martin Schulz wollte die Auszeichnung deshalb auch als Warnung verstanden wissen: „Verspielt nicht dieses teure Erbe“, sagte der Sozialdemokrat kurz vor der Verleihung.

Jagland lobte die EU in seiner Laudatio als entscheidenden Faktor bei der Aussöhnung zwischen den Völkern nach zwei Weltkriegen: „Es ist wahrlich fantastisch, was dieser Kontinent geschafft hat, als er sich von einem Kontinent des Krieges zu einem des Friedens wandelte.“ Die EU verdiene den Friedensnobelpreis, weil sie in diesem Prozess eine herausragende Rolle gespielt habe.

Die Europäische Union war 1958 von sechs Ländern, darunter den Kriegsgegnern Deutschland und Frankreich, zunächst als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet worden. Inzwischen ist die Union auf 27 Mitgliedsstaaten gewachsen. Im Sommer 2013 soll Kroatien als 28. Land aufgenommen werden.

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