Falsche Pässe und tote Briefkästen - Agentenpaar vor Gericht

Stuttgart/Karlsruhe (dpa) - Ein mutmaßliches russisches Spionage- Ehepaar muss sich seit Dienstag wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht verantworten.

Als harmlose Familie getarnt soll das Paar jahrelang Geheimnisse der EU und der Nato an Russland geliefert haben. Mehrere hundert politische und militärpolitische Dokumente soll das Paar von Deutschland aus an den russischen Geheimdienst SWR weitergegeben haben - über „tote Briefkästen“, sowie per Satellit und Internet. Dafür erhielten die Eheleute nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft zuletzt rund 100 000 Euro im Jahr. (Az.: 4b - 3 StE 5/12). Beiden drohen nun bis zu zehn Jahren Haft.

Als Österreicher südamerikanischer Herkunft hätten sich die Angeklagten unter den Aliasnamen Andreas und Heidrun Anschlag seit Ende der 1980er Jahre in Deutschland eine bürgerliche Existenz aufgebaut, heißt es in der Anklage. Die Fassade schien perfekt. Während der Diplom-Ingenieur seiner Arbeit bei verschiedenen Firmen nachging, hütete seine Ehefrau das Haus. Die heute 20-jährige gemeinsame Tochter wusste nach Zeitungsberichten nichts von den geheimen Machenschaften ihrer Eltern. Nicht einmal das Gericht kennt ihre wirkliche Identität.

Im Prozess äußerten sich die Angeklagten zunächst nicht. Sie nickten nur ab, dass der Strafsenat 4b sie mit den Aliasnamen ansprechen soll. Selbst auf der Anklagebank wirken sie unauffällig. Sie blond, er grau meliert, Größe und Statur durchschnittlich, besondere Kennzeichen: keine.

Die mutmaßlichen Spione mit den Decknamen Pit und Tina lebten zuletzt im hessischen Marburg und im baden-württembergischen Balingen. Beim SWR, einem Nachfolger des sowjetischen KGB, standen sie laut Anklage im Rang eines Abteilungsleiters beziehungsweise einer stellvertretenden Abteilungsleiterin. Im Zentrum ihres Interesses standen militärische und politische Angelegenheiten von Nato, EU und UN, aber auch strategische Erkenntnisse zum Verhältnis des Westens zu Ländern Osteuropas und Zentralasiens.

Von Oktober 2008 bis August 2011 soll das Paar einen dritten Agenten angeleitet haben. Der Helfer habe Dokumente aus dem niederländischen Außenministerium beschafft und etwa einmal in Monat an Andreas Anschlag übergeben. Der soll sie dann in Verstecke - sogenannte „tote Briefkästen“ - gebracht haben, aus denen der Auftraggeber sie abholen ließ.

Der Angeklagte soll auch selbst Informationen beschafft haben, etwa bei Veranstaltungen der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Zudem soll er zum Teil Wissen aus seiner Tätigkeit als Ingenieur weitergegeben haben. Während die Führungsstelle per Agentenfunk über Kurzwelle mit dem Paar Kontakt gehalten habe, hätten die Angeklagten ihre Textnachrichten meist per Satellitenübertragung versendet. Hin und wieder versteckten sie auch geheime Botschaften in Kommentaren zu Youtube-Videos im Internet.

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