Putin nimmt seine Gegner mit Gesetzen ins Visier

Moskau (dpa) - Abschreckung im Eiltempo: Mit zwei umstrittenen Gesetzen hat Russland den Druck auf Gegner von Kremlchef Wladimir Putin deutlich verstärkt. Wer für politische Arbeit Geld aus Deutschland oder anderen Ländern erhält, muss sich als „ausländischer Agent“ abstempeln lassen.

Zudem kehrt der Tatbestand der Verleumdung ins Strafgesetzbuch zurück und wird mit bis zu 500 000 Rubel (12 500 Euro) Geldstrafe belegt. Bislang waren es maximal 3000 Rubel. Die Bundesregierung kritisierte die Gesetze scharf.

Bürgerrechtler vermuten, der frühere Geheimdienstchef Putin wolle kritische Gruppen ausschalten und die Opposition mundtot machen. Kremlgegner sprachen von einem „Schwarzen Freitag“ in der Staatsduma in Moskau. Vor dem Parlamentsgebäude demonstrierten Regierungskritiker und Journalisten.

Trotz aller Kritik nahm die Staatsduma am Freitag in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause das Gesetz über die Nichtregierungsorganisationen (NGO) an. Wenn NGO-Mitarbeiter Hilfen aus dem Ausland nicht offenlegen, müssen sie mit Geld- oder sogar Haftstrafen rechnen. 374 Abgeordnete stimmten dafür, drei dagegen, einer enthielt sich, wie die Agentur Interfax meldete. Die anderen der insgesamt 450 Parlamentarier waren nicht anwesend. Die Kremlpartei Geeintes Russland hat im Parlament die absolute Mehrheit. Putin muss die Gesetze noch unterschreiben, damit sie in Kraft treten. Das gilt als Formalität.

Menschenrechtler befürchten nun, dass sie als Spione ausgegrenzt und verfolgt werden. Die Moskauer Helsinki Gruppe kündigte deshalb an, auf ausländische Gelder zu verzichten. Stellenkürzungen seien dann aber nicht zu vermeiden. Nichtregierungsorganisationen müssten nun betteln gehen, um zu überleben, sagte die prominente Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa (84).

„Das Gesetz ist eine weitere Einschränkung für Bürger Russlands, die sich für ihre gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen engagieren“, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck kritisierte, das Gesetz sei ein „weiterer Schlag gegen die Zivilgesellschaft“ und zeige Putins Angst. „Seine hilflose Reaktion ist Denunziation und Repression.“

Für das Anti-Verleumdungsgesetz stimmten 238 Parlamentarier, 91 waren dagegen. Die Fraktion der Kommunisten verließ vor der Abstimmung aus Protest den Plenarsaal. Journalisten hatten vergebens mit einer Petition gegen den „Maulkorb-Erlass“ protestiert. Die Organisation Reporter ohne Grenzen verurteilte die Dokumente als „furchtbares Signal“ für mehr Repressionen. Auch die Opposition befürchtet eine Klagewelle. Künftig könne jeder wegen Kritik etwa an der Regierungspartei vor Gericht landen, meinten Experten.

Vor allem die hohen Geldstrafen, die meist über dem durchschnittlichen Jahresgehalt von rund 6000 Euro liegen, sollen Kritikern zufolge abschrecken. Ein wegen Wahlfälschungen nicht legitimiertes Parlament habe mit neuen Gesetzen die demokratischen Grundrechte in Russland weiter eingeschränkt, kritisierte der Grünen-Europaparlamentarier Werner Schulz in einer Mitteilung. Auch die EU und die USA hatten die Gesetze kritisiert.

Zuvor hatte die Duma bereits die Geldstrafen für Verstöße bei Demonstrationen deutlich erhöht. Dadurch will die Führung nach Ansicht von Bürgerrechtlern Kundgebungen der Opposition erschweren. Außerdem können die Behörden per Gesetz Internetseiten sperren. Voraussetzung sind Inhalte mit Kinderpornografie oder der Verherrlichung von Drogen und Selbstmord. Kritiker warnen allerdings vor Zensur. Die Opposition hatte mit Hilfe des Internets Zehntausende zu Massenkundgebungen mobilisiert.

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