UN verabschiedet nach Annans Abgang Syrien-Resolution

Damaskus/Kairo (dpa) - Nach dem Abgang des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan verliert sich die internationale Gemeinschaft in Streit und Schuldzuweisungen.

Auf Betreiben Russlands und Chinas nahm die UN-Vollversammlung am Freitag eine geplante scharfe Verurteilung des syrischen Regimes nur in deutlich abgeschwächter Form an. Während die Suche nach einem neuen Friedensvermittler läuft, fließt in Syrien weiter Blut. Aktivisten berichteten von einem neuen Massaker der Regierungstruppen mit 62 Opfern. Wegen der dramatischen Entwicklung richtete die Bundesregierung einen eigenen Syrien-Arbeitsstab ein.

Die nicht bindende Resolution, die die zunehmende Gewalt in Syrien anprangert, wurde am Freitag von 133 der 193 Mitgliedsländer der UN-Vollversammlung gebilligt, bei 12 Gegenstimmen und 31 Enthaltungen. Die Teilnehmer konnten sich nicht auf die Forderung nach einem Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad einigen. Moskau und Peking hatten im letzten Moment auch eine Verurteilung ihrer Veto-Politik im Weltsicherheitsrat aus dem Text streichen lassen. Allerdings wird das Assad-Regime aufgefordert, seine Armee umgehend in die Kasernen zurückzuziehen.

Die schärfsten Punkte des Textes, der klare Ruf nach Assads Rücktritt und nach weitergreifenden Sanktionen, wurden allerdings auf Antrag Russlands, Chinas, Indiens und mehrerer lateinamerikanischer Staaten in letzter Minute gestrichen. Es war das zweite, nicht bindende Syrien-Votum der UN-Vollversammlung seit Ausbruch des Konflikts.

Für das Scheitern von Annans Vermittlungsbemühungen machten sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats gegenseitig verantwortlich. Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, kritisierte die Rolle Russlands und Chinas scharf: „Die Mitglieder, die das Handeln im Sicherheitsrat blockiert haben, haben den Einsatz von Annan unmöglich gemacht.“ Die beiden Vetomächte hatten im UN-Sicherheitsrat wiederholt Resolutionen gegen das Regime von Assad verhindert.

Russland warf dem Westen indirekt vor, Annan aus dem Spiel genommen zu haben, um freie Hand für den Einsatz von Gewalt zu haben. China will im Syrien-Konflikt eine politische Lösung unterstützen. Kofi Annan hatte seinen Rückzug am Donnerstag auch mit der in seinen Augen mangelnden Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft begründet.

Als möglicher Nachfolger für den Syrien-Sonderbeauftragten von Vereinten Nationen und Arabischer Liga wurde immer wieder der ehemalige finnische Präsident Mahti Ahtisaari genannt. Der sozialdemokratische Politiker war für seine Bemühungen um die Lösung verschiedener internationaler Konflikte mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.

In Syrien ging das Töten indes unvermindert weiter. Ein Massaker, das ein Dachverband örtlicher Aktivisten meldete, soll sich in der zentralsyrischen Stadt Hama ereignet haben. Unter den mehr als 60 Toten im Stadtteil Al-Arbain seien auch Frauen und Kinder. Das Militär habe auf den Dächern Scharfschützen postiert. Die Angaben ließen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen.

Auch in der erbittert umkämpften Metropole Aleppo im Norden des Landes spitzt sich die Lage weiter zu. UN-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous befürchtet, dass sich Regierungstruppen und Rebellen in der Millionenstadt für den „Hauptkampf“ rüsten. Auch der örtliche Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi berichtete der Deutschen Presse-Agentur von Dutzenden Lastwagen mit Soldaten und mehr als 100 Panzern des Regimes, die rund um Aleppo in Stellung gebracht würden.

Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung setzt das Militär seine Bombardements aus der Luft fort. Nach Berichten der oppositionellen Syrischen Menschenrechtsbeobachter ließ Assad Angriffe auf das Wohnviertel Salaheddin fliegen, wo um eine strategisch wichtige Zufahrtsstraße gekämpft wird. Die umzingelte Millionenstadt steuert auf eine humanitäre Katastrophe zu. Weil die Müllabfuhr nicht mehr arbeite, stinke der Abfall zum Himmel, berichtete eine Reporterin des Fernsehsenders Al-Dschasira aus der Stadt. Vor den wenigen verbliebenen Bäckereien bildeten sich lange Schlangen.

Nach UN-Angaben sitzen wegen der anhaltenden Kämpfe Zehntausende Syrer in ihren Wohnungen in der Falle. Aus Angst, ins Kreuzfeuer zu geraten oder gar gezielt beschossen zu werden, trauten sie sich nicht auf die Straße, sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Melissa Fleming. Innerhalb Syriens hätten inzwischen schon 1,5 Millionen Menschen bei Gastfamilien oder in provisorischen Nothilfelagern einen sicheren Unterschlupf gesucht.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle appellierte an Syriens zerstrittene Opposition, „dringend zu größerer Einheit zu finden“. Zugleich setzte die Regierung einen Arbeitsstab ein, der auch schon die Zeit nach einem Sturz von Assad vorbereiten soll. Dessen Leitung übernimmt der Nahost-Beauftragte des Auswärtigen Amts, Boris Ruge.

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