Pussy-Riot-Anwalt hofft auf mildes Urteil (mit Video)

Moskau (dpa) - Die Moskauer Skandalband Pussy Riot muss nach ihrem Protest gegen Kremlchef Putin weiter auf das Urteil warten. Erst peitschte die Richterin den Prozess im Eiltempo durch. Nun nimmt sie sich unerwartet viel Zeit.

Wirken da etwa die weltweiten Proteste?

Im international kritisierten Prozess hofft die Verteidigung auf ein mildes Urteil am 17. August für die Putin-Gegnerinnen. Die jüngsten Proteste von mehr als 100 Bundestagsabgeordneten sowie von Popstar Madonna gegen die Inhaftierung der Frauen könnten die Justiz zum Einlenken bewegen, sagte Anwalt Nikolai Polosow am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Moskau. Richterin Marina Syrowa vertagte nach einem im Eiltempo durchgepeitschten Prozess am Mittwoch unerwartet die Entscheidung auf Freitag in einer Woche.

Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Rowdytums aus religiösem Hass drei Jahre Gefängnis für die drei Musikerinnen beantragt und damit weltweit Proteststurm ausgelöst. Die angeklagten Künstlerinnen verteidigten ihren Protest gegen Putin in der Moskauer Erlöserkathedrale am 21. Februar erneut als freie Meinungsäußerung und hoffen auf Freispruch. Die Europäische Union und die Bundesregierung zeigten sich besorgt über den Prozess, den Menschenrechtler als beispiellosen Justizskandal zur Einschüchterung der Opposition kritisieren.

Es gehe um „Unregelmäßigkeiten“ seit der Verhaftung der drei Frauen im März ebenso wie um die Umstände der Untersuchungshaft und das Tempo des Gerichtsverfahrens, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel. „Wir sind auch besorgt über Berichte über zunehmende Einschüchterung von Anwälten, Journalisten und möglichen Zeugen“, führte sie aus.

Die EU, die das Gerichtsverfahren durch Diplomaten beobachte, fordere Russland auf, seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen und ein faires Verfahren zu garantieren. „Die EU wird diesen Fall sehr genau weiter verfolgen“, sagte Ashtons Sprecherin. „Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass eine nachhaltige Modernisierung Russlands nur mit einer vielfältigen und offenen Zivilgesellschaft gelingen kann“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin.

Die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa (22), die das Chamowniki-Gericht mit geballter Faust betrat, verglich das Verfahren mit den politischen Repressionen in den 1930er Jahren unter Sowjetdiktator Josef Stalin. Pussy-Riot-Mitglied Maria Aljochina (24), die wie Tolokonnikowa ein kleines Kind hat, sagte, dass sie keine Gefängnisstrafe fürchte. Ihre „innere Freiheit“ könne ihr niemand nehmen, sagte sie.

Die dritte Angeklagte, Jekaterina Samuzewitsch, die an diesem Donnerstag 30 Jahre alt wird, wies die Anklage als „konstruiert“ zurück. Im Saal gab es immer wieder Applaus für die vielen Zitate der Frauen aus der Bibel und den Klassikern der russischen Literatur. Richterin Syrowa schimpfte dagegen: „Das ist kein Theater.“

Verteidiger Polosow meinte, dass sich das Urteil wegen der internationalen Proteste verzögern könne. „Russland ist ein nach Westen orientiertes Land. Weil sich die Beziehungen durch ein scharfes Urteil gegen Pussy Riot verschlechtern dürften, erwarten wir einen milden Richterspruch“, sagte Polosow. Der Anwalt rechnete damit, dass Richterin Syrowa die weltweiten Appelle berücksichtigt.

Die Angeklagten entschuldigten sich bei den russisch-orthodoxen Gläubigen für die Verletzung religiöser Gefühle. Neben internationalen Künstlern und Politikern hatte auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Freilassung der politischen Gefangenen verlangt.

US-Popstar Madonna (53) forderte bei einem Konzert in Moskau am späten Dienstagabend vor mehr als 20 000 Menschen ebenfalls Freiheit für Pussy Riot. „Diese drei Mädchen - Nadja, Mascha und Katja - haben etwas Mutiges getan. Sie haben dafür bezahlt. Und ich bete für ihre Freilassung“, sagte Madonna im Olympiski-Stadion. Auf dem nackten Rücken trug die Sängerin den Schriftzug von Pussy Riot.

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