Vize-Minister rebelliert gegen Assad

Istanbul/Kairo (dpa) - Angewidert von der Brutalität des Regimes wenden sich in Syrien immer mehr Funktionäre von Präsident Baschar al-Assad ab.

Auf der Internet-Plattform YouTube tauchte in der Nacht zum Donnerstag ein Video auf, in dem der Vize-Ölminister Abdo Hossam al-Din seine Unterstützung für den Aufstand gegen das Regime erklärt. Er ist der bisher ranghöchste syrische Funktionär, der Assad öffentlich die Gefolgschaft aufkündigt.

Aktivisten berichteten über weitere Massaker in der Stadt Homs. Mindestens 42 Menschen seien seit Mittwoch in dem Viertel Baba Amro ermordet worden. Unter den Toten seien fünf komplette, namentlich bekannte Familien. Diese seien entweder ausgelöscht worden, weil ein Familienmitglied zu den Aktivisten gehörte oder weil sie sich geweigert hätten, im Staatsfernsehen falsche Aussagen über die Revolutionäre zu machen.

Die syrische Führung hatte der UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos am Mittwoch für eine Stunde Zugang zu Baba Amro verschafft. Ihre Sprecherin Amanda Pitt sagte anschließend, die Gebiete, die sie dort gesehen habe, seien komplett zerstört gewesen.

Wie und wo das Video mit Hossam al-Din entstanden ist, war unklar. Eine offizielle Reaktion des Regimes in Damaskus gab es zunächst nicht. Anfang Januar hatte sich bereits ein Finanzkontrolleur der Regierung nach Kairo abgesetzt und von dort seine Unterstützung für die Revolution bekundet.

Hossam al-Din, dessen Rang in etwa dem eines deutschen Staatssekretärs entspricht, sagt in dem Video, er wolle seine mehr als 30-jährige Karriere im Staatsdienst nicht damit beenden, dass er die Verbrechen dieses Regimes billige. Er wisse, dass sein Haus nun vermutlich angezündet werde. Seine Familie müsse mit Verfolgung rechnen und man werde Lügen über ihn verbreiten. Trotzdem habe er nicht länger schweigen können.

Der ehemalige Spitzenfunktionär erklärte gleichzeitig seinen Rücktritt aus der regierenden Baath-Partei. Wo er sich zur Zeit aufhält, ist nicht klar. Am Ende seiner Botschaft appellierte er an seine früheren Kollegen im Ministerium und in der Regierung, seinem Beispiel zu folgen. Er sagte: „Verlasst dieses sinkende Schiff!“

In den vergangenen Tagen sollen sich nach Angaben von Aktivisten mehrere hochrangige Offiziere der syrischen Armee nach Jordanien abgesetzt haben. Aus der Region Asas nahe der türkischen Grenze wurden am Donnerstag Angriffe von Deserteuren auf zwei Stützpunkte der Sicherheitskräfte gemeldet.

Der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan traf unterdessen in Kairo mit dem ägyptischen Außenminister Mohammed Amr zusammen. Amr sagte, in Syrien müsse ein Dialog zwischen der Regierung und verschiedenen anderen Akteuren stattfinden, um das Blutvergießen zu beenden. Eine Lösung für die Krise in Syrien kann nach Ansicht von Annan nur aus dem Land selbst kommen. Ein militärisches Eingreifen wie in Libyen sei keine Option, betonte er nach einem Gespräch mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, in Kairo.

Annan, der zum gemeinsamen Syrien-Gesandten der Liga und der Vereinten Nationen ernannt worden war, wird an diesem Samstag in Damaskus erwartet. Er will sich auf drei Punkte konzentrieren: Ein Ende der Gewalt, Zugang für humanitäre Hilfe und der Beginn eines Prozesses für eine politische Lösung.

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