Japan prüft höhere Gefahrenstufe in Fukushima

Tokio/Wien (dpa) - Ein erneutes Leck in der Atomruine Fukushima ist offenbar deutlich schlimmer als von den Behörden bislang angenommen.

Wie die Atomaufsichtsbehörde am Mittwoch mitteilte, werde sie mit der Internationalen Atomenergieorganisation IAEA in Wien darüber beraten, den Vorfall auf Stufe 3 der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (Ines) anzuheben. Damit würde das Leck als „ernster Zwischenfall“ eingestuft statt wie bislang mit der Stufe 1 („Anomalität“).

Der Atombetreiber Tepco hatte zuvor bekanntgegeben, dass rund 300 Tonnen verstrahlten Kühlwassers aus einem Auffangtank ausgelaufen waren. Das übrige Wasser wurde am Mittwoch umgefüllt.

Die Atomenergieorganisation erklärte dazu in Wien, die IAEA werde von den japanischen Behörden weiterhin mit Informationen über die Situation in der Anlage versorgt. „Die IAEA betrachtet dies als ernste Angelegenheit und ist weiterhin bereit, auf Anfrage Hilfe zur Verfügung zu stellen“, sagte IAEA-Sprecherin Gill Tudor weiter.

Unterdessen ist die Zahl von in Fukushima lebenden Kindern mit Schilddrüsenkrebs weiter gestiegen. Wie der japanische Fernsehsender NHK berichtete, wurde bei Untersuchungen bei sechs Kindern, die zum Zeitpunkt des Unfalls vom 11. März 2011 18 Jahre oder jünger waren, Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. Damit stieg die Zahl der Krebsfälle unter Kindern auf 18.

Ob jedoch der GAU im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ursächlich für die Krebserkrankungen sei, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, erklärte ein Untersuchungskomitee der Präfekturverwaltung von Fukushima, wie der Sender NHK berichtete.

Infolge des Erdbebens und Tsunamis vom 11. März 2011 war das AKW verwüstet worden. Dabei kam es zu Kernschmelzen. Seither pumpen die Reparaturtrupps unentwegt Wasser zur Kühlung in die Reaktoren. Die dabei anfallenden riesigen Mengen verseuchten Wassers werden in Tanks gefüllt, die auf dem Gelände errichtet wurden. Das verseuchte Wasser soll zwar aufbereitet werden, um es erneut zur Kühlung einzusetzen. Erschwerend hinzu kommt aber, dass jeden Tag Hunderte Tonnen Grundwasser in die Reaktorgebäude eindringen und sich mit dem kontaminierten Kühlwasser vermischen. Kürzlich hatte Tepco zugegeben, dass tagtäglich rund 300 Tonnen belastetes Wasser ins Meer sickern.

Das aus einem der Hunderten von Auffangtanks geleckte Wasser enthält laut Tepco unter anderem Strontium, das Wissenschaftler auch als „Knochenkiller“ bezeichnen. Es schädige das Knochenmark und könne Leukämie (Blutkrebs) auslösen. Die Ursache des Lecks war auch am Mittwoch noch ungeklärt.

Die Havarie in dem AKW vom 11. März 2011 war auf der höchsten Stufe 7 („Schwerste Freisetzung“) eingestuft worden - ebenso wie der Atomunfall in Tschernobyl. Die Präfekturverwaltung von Fukushima lässt daher die Schilddrüsen aller in der Region lebenden Kinder, die zum Zeitpunkt des Atomunfalls vom 11. März 2011 im Alter von 18 Jahren oder jünger waren, untersuchen. Das sind etwa 360 000 Kinder. Bis Ende vergangenen Monats wurden davon 210 000 Kinder untersucht. Neben den bisher 18 diagnostizierten Krebsfällen besteht bei 25 Kindern ein „Verdacht“ von Krebs, zehn Kinder mehr als bisher.

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