Zwischen Al-Kaida und Assad

Die USA greifen neben dem IS auch andere Gruppen an. Die könnten noch gefährlicher sein.

Zwischen Al-Kaida und Assad
Foto: Reuters

Bagdad. Marschflugkörper, Bomben- und Drohnenangriffe, Kampfjets sichern den Luftraum: Manches erinnert an den Beginn der beiden Golfkriege 1991 und 2003. Doch US-Experten sind der Meinung, dass sie es heute mit einem viel gefährlicheren Gegner als seinerzeit mit Iraks Diktator Saddam Hussein zu tun haben.

Die islamistische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) breitet sich wie ein Krebsgeschwür über den Nahen Osten aus, nutzte die instabilen Staaten Syrien und Irak. Seit sechs Wochen bombardieren die USA Stellungen der Milizen im Irak. Jetzt weiten sie die Angriffe auf Syrien mit Hilfe arabischer Partner aus, und damit wird deutlich, dass IS längst nicht das einzige Problem in der Region ist.

Offiziell stehen Saudi-Arabien, Jordanien, Katar, die Vereinigten Emirate und Bahrain an der Seite der USA. Doch welche Qualität diese Unterstützung wirklich ist, bleibt fraglich: Katar steht als mutmaßlicher Finanzier der Islamisten und anderer Terrorgruppen wie der Hamas weltweit in der Kritik. Und auch beim Langzeit-Verbündeten der USA, Saudi-Arabien, mehren sich die Zweifel. Die Auslegung des Islam ist extrem konservativ, immer wieder spielen Saudi-Araber führende Rollen in Terrorgruppen wie Al Kaida.

Konnten sich die USA bei ihren vergangenen Kriegen zumindest noch an Landesgrenzen orientieren, ist der Nahe Osten mittlerweile zu einem unübersichtlichen Netzwerk von Loyalitäten, Unterstützung und Feindschaft mutiert. Im Schatten des IS sind dort einige Terrorgruppen aktiv. Dazu gehören die Gruppen Al Nusra und Khorasan, die sich zum Teil aus ehemaligen Al-Kaida-Anführern aus dem Irak, Pakistan und Afghanistan rekrutieren. Bereits im Dezember hatte Washington die Al Nusra auf die „schwarze Liste“ der Terrororganisationen gesetzt. Es war mehr ein symbolischer Akt, mit dem die Gruppe isoliert werden sollte. Das Konzept schlug fehl, jetzt bombardiert Barack Obama.

Der Präsident ist zum Handeln gezwungen, denn in den USA wächst die Angst vor einem erneuten Terroranschlag. Während IS fast wie eine reguläre staatliche Armee operiert und auf Landgewinne in Syrien und dem Irak abzielt, agieren die anderen beiden Gruppen zwar auch in Syrien, werben aber zugleich auch Kämpfer im Westen. Ihr Ziel: Anschläge in deren Heimatländern.

Laut Sicherheitsexperten geht die größte Anschlaggefahr von nichterkannten Konvertiten aus, die im Westen aufgewachsen sind und sich damit gut getarnt bewegen können. Obama muss den Terrorgruppen deshalb in Syrien und dem Irak die Basis entziehen, um die Gefahr im eigenen Land zu reduzieren. Obama will nicht Bill Clintons Fehler wiederholen, der Afghanistan und Osama bin Laden so lange unterschätzte, bis 1998 die Terroranschläge auf US-Einrichtungen begannen. Insofern nutzt der US-Präsident die Allianz gegen IS nun aus, um im chaotischen Syrien auch andere Rechnungen zu begleichen.

Indirekt, und das ist einer der Gründe für Obamas langes Zaudern, hilft er damit Syriens Diktator Baschar al-Assad. Über die irakische Regierung informierte Washington Damaskus über die Luftangriffe. Dort dürften die US-Luftangriffe positiv aufgenommen werden. Angesichts zahlreicher Islamistengruppen hat Assad nun die Chance, noch massiver gegen die gemäßigte Opposition vorzugehen, indem er diese als Islamisten bezichtigt. Dass in der Chaosregion ohnehin schwer auszumachen ist, wer welche Ziele verfolgt, spielt Assad zusätzlich in die Karten.

Bereits jetzt gibt es Befürchtungen, dass Assad durch das IS-Problem politisch wieder salonfähig wird. Ein vertrauliches Strategie-Papier des Auswärtigen Amtes, über das der „Spiegel“ berichtet, empfiehlt der Bundesregierung deshalb, sich international vehement dagegen zu sperren, dass Assad zum Partner im Kampf gegen IS aufgewertet wird.

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