Die Angst vor einem neuen Gazakrieg

Das israelische Militär fliegt Angriffe auf den Gazastreifen und beruft Reservisten ein, radikale Palästinenser feuern Raketen auf Israel. Die Zeichen stehen auf Eskalation.

Tel Aviv/Gaza. Es ist ein Schlag mitten ins Nervenzentrum der radikal-islamischen Hamas: Israel hat mit Militärchef Ahmed al-Dschabari den ranghöchsten Führer der im Gazastreifen herrschenden Organisation seit fast einem Jahrzehnt getötet. Tausende Palästinenser versammelten sich am Donnerstag in Gaza beim Begräbnis des einflussreichen Mannes, den Israel als „Generalstabschef“ der Hamas beschrieb.

Am Abend kam es erstmals seit dem Golfkrieg von 1991 zu einem Raketenangriff auf die Metropole Tel Aviv. Die radikale Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad teilte mit, sie habe eine Rakete des Typs „Fadschr 5“ auf die Metropole abgefeuert. Die Armee erklärte jedoch, es habe keinen Einschlag gegeben. Einwohner berichteten allerdings von einer dumpfen Explosion.

Zuvor war auch im benachbarten Rischon Lezion eine Rakete eingeschlagen. Bislang galten Angriffe auf Tel Aviv als klare rote Linie im jahrelangen Konflikt zwischen Israel und der Hamas.

Bei dem Begräbnis von Al-Dschabari hatten bewaffnete Männer zuvor Salven in die Luft gefeuert. Trauernde schworen Israel Rache. „Wir werden den Widerstand nicht aufgeben“, gelobte Al-Dschabaris 20 Jahre alter Sohn Muas.

Die Botschaft des tödlichen Luftangriffs auf Al-Dschabari ist klar: Israel ist nicht länger bereit, die ständigen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen zu erdulden. Klares Ziel der neuen Militäroperation „Säule der Verteidigung“ ist es, die Hamas-Führung einzuschüchtern, damit diese die Raketenangriffe auf Israel stoppt.

Kurz nach dem tödlichen Schlag gegen Al-Dschabari griff die Luftwaffe zahlreiche Waffenlager im Gazastreifen an, in denen nach israelischen Angaben Raketen des Typs „Fadschr“ gelagert waren. Sie stammten aus dem Iran und hätten eine Reichweite von etwa 75 Kilometern. Zivilschutzminister Avi Dichter sagte, die Offensive werde vermutlich lange dauern, weil Hamas noch über viele Waffenlager verfüge.

Das israelische Militär hat schon begonnen, Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive einzuberufen. Kritiker verwiesen darauf, dass auch beim letzten Gazakrieg, der vor fast vier Jahren begann, israelische Parlamentswahlen bevorstanden.

Doch eine Wiederholung des damaligen Gazafeldzugs birgt auch für Israel große Risiken. Neben Verlusten im Kampf besteht die Gefahr, die Hamas könnte ihre Selbstmordanschläge in Israel wiederaufnehmen.

Außerdem hat sich die politische Großwetterlage in Nahost seit dem letzten Gazakrieg grundlegend geändert: Die neue ägyptische Führung steht heute an der Seite der Hamas, Israel könnte mit einer blutigen Offensive im Gazastreifen die diplomatischen Beziehungen mit dem arabischen Nachbarland aufs Spiel setzen.

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