Die Zentralbank — ein neuer Fall für Karlsruhe

Europas Wege aus der Eurokrise enden vor dem Verfassungsgericht. Drei Szenarien.

Karlsruhe. Normalerweise herrscht im August Ruhe in Karlsruhe. Derzeit jedoch brüten die acht Richter des Zweiten Senats über einer ihrer wichtigsten Entscheidungen: Ob Deutschland dem permanenten Euro-Rettungsschirm beitreten darf — dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der seit Juli aktiv sein sollte, und sich nun mindestens bis zur Entscheidung des Gerichts am 12. September verzögert.

Derweil wird schon über neue Schutzmaßnahmen diskutiert — die Europäische Zentralbank (EZB) soll mit ihrer unbegrenzten monetären Feuerkraft Spekulanten abschrecken. Auch die neuen Rettungsaktionen dürften in Karlsruhe landen: Der CSU-Politiker Peter Gauweiler — einer der Kläger im Verfahren gegen den Rettungsschirm — reichte einen Schriftsatz nach.

Ein mögliches Szenario: Dem ESM könnte erlaubt werden, sich direkt bei der Zentralbank Geld zu leihen. Dafür könnte der Rettungsschirm Anleihen notleidender Euro-Staaten kaufen, die er der EZB als Sicherheit hinterlegt. EZB-Chef Mario Draghi hat zwar betont, dass die Zentralbank den ESM nicht als geeigneten Kreditnehmer sieht. Das könnte sich ändern, meint Gauweilers Prozessvertreter, der Freiburger Jura-Professor Dietrich Murswiek.

Deshalb will Murswiek erreichen, dass es dem Rettungsschirm verboten wird, sich Geld bei der EZB zu besorgen — das wäre eine „Staatsfinanzierung durch Gelddrucken“, meint Murswiek.

Ein anderes Szenario: Die Zentralbank selbst kauft auf dem Finanzmarkt weitere Staatsanleihen. Auch in diesem Fall würde die EZB am Ende das Risiko tragen, dass die Staaten das Geld nicht zurückzahlen können. Das Risiko dürfte dann auf die nationalen Notenbanken verteilt werden, etwa die Bundesbank.

„Wenn die Anleihen wertlos würden, trüge sie 27 Prozent des Verlusts, der im Eurosystem anfällt“, so ein Bundesbank-Sprecher. Wenn das Euro-System für 100 Milliarden Euro Staatsanleihen kauft, haftet die Bundesbank für 27 Milliarden. Damit lande das Risiko beim Steuerzahler — denn Verluste der Bundesbank belasten den Bundeshaushalt.

Es gibt ein drittes Szenario: Die Zentralbank kreiert „fiktive Ausgleichsposten“ — also neues Geld. Das aber hätte eine andere unangenehme Folge: Inflation.

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