Diskussion zur Sterbehilfe: Jede Position wird geachtet

In einer herausragenden Debatte diskutieren die Politiker über Leiden und Sterben.

Diskussion zur Sterbehilfe: Jede Position wird geachtet
Foto: Maja Hitij/dpa (zu dpa "Nur die Hälfte aller Kinder in Deutschland kennt ihre Rechte" vom 13.11.2014)) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Berlin. Die Stimme von Lisa Paus erstickt fast. Die Grünen-Abgeordnete schildert das lange Sterben ihres krebskranken Lebensgefährten. Mit großer Energie hatte er sich Gifttabletten besorgt, schildert Paus. Sie hätten ihm das Gefühl von Selbstbestimmung gegeben. „Am Ende hat er sie nicht genommen.“

Diskussion zur Sterbehilfe: Jede Position wird geachtet
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Viele Abgeordneten geben Paus Beifall, auch die, die nicht ihrer Meinung sind, dass es Ärzten und sogar Vereinen erlaubt sein soll, Verzweifelten beim Sterben zu helfen. Das Leben ist im Bundestag angekommen — in Form des Todes. Die Zuhörer auf der Tribüne spüren wohl sehr intensiv, dass die Abgeordneten da unten selbst Schicksale haben.

Aber es gibt auch genau die gegenteilige Schlussfolgerung aus ähnlichen Erlebnissen. Franz Müntefering etwa wird zitiert. Der Ex-SPD-Chef, der seine erste Frau bis zum Tod gepflegt hat, hat sich per Interview in die Debatte eingemischt: Wo ziehe man die Grenze, ab der Sterbehilfe erlaubt sei, hat er gefragt.

Gleich der erste Redner, der CDU-Abgeordnete Michael Brand, nimmt darauf Bezug. Er vertritt die Position, dass alle Sterbehilfevereine — ob kommerziell oder nicht — verboten werden sollen, ebenso die Werbung für sie. Denn, so Brand, wenn man die Tür zur Sterbehilfe erst einmal einen Spalt breit öffne, bekomme man sie nicht mehr zu. Die Mehrheit der Unionsfraktion, aber auch etliche aus den anderen Parteien klatschen.

Die Aussprache dauert fast fünf Stunden und ist ausdrücklich als Orientierungsdebatte gekennzeichnet. Jeder soll sich seine Meinung frei bilden dürfen. 47 Abgeordnete melden sich zu Wort. Es zeigt sich in einer Frage ein überwältigender Konsens: Die Behandlung und Versorgung Sterbender muss erheblich ausgebaut werden. Vor allem die Befürworter strikter Sterbehilfe-Verbote bieten das als Alternative an.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der diesem Lager angehört, hat dazu ein erstes Konzept vorgelegt. Zweite Übereinstimmung: Eine überwältigende Mehrheit will die organisierte Sterbehilfe verbieten, die kommerzielle zumal.

Was bleibt, ist ein Konflikt um die Rolle der Ärzte, denn dass es Notsituationen gibt, in denen sie angefleht werden zu helfen, bestreitet kein Redner. Karl Lauterbach (SPD) sagt, wenn man die organisierten Sterbehilfevereine verbiete, müsse man auf der anderen Seite bei den Ärzten Rechtsklarheit schaffen.

Die Gegner dieser Position zitieren den hippokratischen Eid, der es ausdrücklich verbietet, jemandem ein Gift zu geben — „auch auf eine Bitte nicht“. Eine Gruppe, der Peter Hintze (CDU) angehört, will gesetzlich klarstellen, dass Ärzte Beihilfe zum Suizid im Notfall machen dürfen. Doch der Chef der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, will nicht weichen. Es müsse immer die oberste Leitlinie seines Berufsstandes bleiben, Leben zu retten, sagt er. Die Diskussion wird intensiv weitergehen.

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