Granaten aus Syrien provozieren Türkei

Istanbul (dpa) - Die Türkei droht immer mehr in den Strudel des Bürgerkriegs im benachbarten Syrien hineingerissen zu werden. Auch am Wochenende wurde der fragile Frieden zwischen den beiden Ländern erneut auf die Probe gestellt, als immer wieder Granaten auf türkischem Boden einschlugen.

Am Sonntagnachmittag traf es erneut das Grenzdorf Akçakale, wo wenige Tage zuvor fünf Menschen bei einem ähnlichen Angriff getötet worden waren. Diesmal blieb es bei Schachschäden. Die Armee des Nato-Mitglieds feuerte zurück.

Die internationalen Partner sind besorgt. US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte nach Angaben des US-Sender CNN bei einem Besuch in Peru, die jüngsten Artillerieduelle gäben „Anlass zu zusätzlicher Sorge, dass sich dieser Konflikt ausweitet“.

Zehn europäische und afrikanische Mittelmeerstaaten forderten einen Regimewechsel in Syrien. Die Lage sei nicht länger hinnehmbar, hieß es in einer Erklärung zum Abschluss der „5+5-Konferenz“ in Malta. Die Gruppe vereint die nordafrikanischen Länder Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien und Tunesien sowie von europäischer Seite Spanien, Frankreich, Italien, Malta und Portugal.

Offiziell wollen die türkischen Behörden den Beschuss nicht als direkten Angriff auf ihr Land werten. Dennoch warnte Außenminister Ahmet Davutoglu: „Jeder künftige Angriff auf die Türkei - von woher auch immer - wird zum Schweigen gebracht.“ Die türkische Zeitung „Sabah“ zitierte ihn am Sonntag in ihrer Online-Ausgabe mit der Forderung nach einer Übergangsregierung in Syrien ohne Assad. Der Vize des syrischen Präsidenten, Faruk al-Scharaa, solle übernehmen, sagte er.

Drei aus Syrien abgefeuerte Mörsergranaten waren im Laufe des Samstags in den Feldern um das türkische Dorf Güveççi detoniert, nur 50 Meter von der Grenze entfernt. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, wurde niemand verletzt. Das türkische Militär habe sofort das Feuer erwidert. Am Sonntagnachmittag wurde dann in Akçakale eine landwirtschaftliche Lagerhalle beschädigt, als in der Nähe eine weitere Granate einschlug. Und wieder schoss die türkische Armee zurück.

Unterdessen gingen auf syrischer Seite die heftigen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen weiter - kaum zwei Kilometer von der Ortschaft Güveççi entfernt. Die Truppen von Baschar al-Assad hätten versucht, Kontrollpunkte der Regimegegner zu erobern, berichteten Aktivisten. Die mehr als zwölfstündigen Gefechte hätten mindestens 40 Assad-Soldaten das Leben gekostet. Auch neun Rebellen seien getötet worden.

Am Sonntagabend detonierte Medienberichten zufolge im Zentrum von Damaskus eine Bombe. Der in einem Auto versteckte Sprengsatz sei in der Nähe des Polizeihauptquartiers hochgegangen, hieß es beim arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira unter Berufung auf das syrische Staatsfernsehen.

Das ohnehin angespannte türkisch-syrische Verhältnis hatte sich dramatisch verschlechtert, als am vergangenen Mittwoch bei dem Granateneinschlag in Akcakale eine Mutter und ihre vier Kinder starben. Eine Entschuldigung für die Zwischenfälle gab es von syrischer Regierungsseite bsiher nicht. Am Donnerstag erlaubte das Parlament in Ankara der Regierung für ein Jahr Militäreinsätze über die Grenze hinweg. Der Sonntag war bereits der fünfte Tag in Folge mit Schüssen über die Grenze hinweg.

Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi warnt den Westen im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ derweil vor Fehleinschätzungen in Bezug auf Syrien. „Assad glaubt an seinen Sieg, er zeigte sich überzeugt, die Auseinandersetzung in Syrien militärisch gewinnen zu können“, sagte er. Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten Syriens.

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