Grundsatzurteil erwartet: Endet Glaubensfreiheit beim Schwimmen?

Muslimische Schülerin beantragt Befreiung vom Unterricht. Richter haben das letzte Wort.

Leipzig. Der Schwimmunterricht für muslimische Schülerinnen sorgt immer wieder für Konflikte zwischen gläubigen Familien und den Schulbehörden. Gestritten wird um die Frage, was den Kindern zugemutet werden kann, ohne ihr Schamgefühl und ihre Glaubensregeln zu verletzen. Am Mittwoch wird am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Grundsatzurteil erwartet.

Verhandelt wird der Fall einer Schülerin aus Hessen, die am gemeinsamen Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen teilnehmen sollte, dies aber aus religiösen Gründen nicht wollte. „Der Koran verbietet es ihr nicht nur, sich leichtbekleidet den Blicken anderer auszusetzen. Sie selbst soll sich auch nicht dem Anblick leichtbekleideter Jungen und Mädchen aussetzen“, sagt ihr Anwalt Klaus Meissner.

Die Gymnasiastin marokkanischer Abstammung beantragte eine Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht. Sie berief sich auf die Religionsfreiheit — als Grundrecht in Deutschland ein hohes Gut. Die Schule lehnte die Befreiung gleichwohl ab. Mit einer Klage scheiterte die Schülerin danach vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und auch vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Es sei ihr zuzumuten, in einem Burkini — einem Ganzkörperbadeanzug — am Schwimmunterricht teilzunehmen, urteilte der VGH.

Jetzt haben die Leipziger Richter das letzte Wort. „Im Revisionsverfahren sind die Voraussetzungen zu klären, unter denen ein Schüler aufgrund seines Grundrechts auf Glaubensfreiheit im Einzelfall eine Befreiung von der Pflicht zur Teilnahme an einer schulischen Veranstaltung beanspruchen kann“, teilt das Gericht mit.

Meissner beruft sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. 1993 hatte es entschieden, dass eine Befreiung möglich ist, wenn eine Schule keinen getrennten Schwimmunterricht anbietet. Der VGH meinte allerdings, dass die Entwicklung seither fortgeschritten sei. Die hessischen Richter betonten stark den Integrationsauftrag. Dagegen sagt Meissner: „Koedukativer Unterricht ist nicht unerlässlich für eine Erziehung zu einem respektvollen Umgang der Geschlechter miteinander.“

Das Leipziger Urteil wird auch von Interessensvertretern der Muslime mit Spannung erwartet. Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, sagt: „Aus unserer Sicht ist ein Ganzkörperbadeanzug islamisch angemessen und tragbar. Allerdings ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu respektieren.“

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