Ärger zwischen Merkel und Netanjahu

Berlin (dpa) - Der völlige Stillstand im Nahost-Friedensprozess sorgt zunehmend auch für Verstimmungen zwischen Deutschland und Israel. Unmittelbar vor einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin machte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinem Ärger sogar öffentlich Luft.

Die deutsche Enthaltung bei Palästinas Aufwertung zum UN-Beobachterstaat habe den Friedensprozess „zurückgeworfen“, kritisierte er in der Zeitung „Die Welt“. Von Merkel persönlich sei er „enttäuscht“. Wegen neuer Siedlungspläne steht Israel allerdings selbst massiv in der Kritik.

Netanjahu traf am Mittwochabend mit Merkel im Kanzleramt zusammen. Das Treffen war Auftakt der alljährlichen deutsch-israelischen Regierungsgespräche. Begleitet wird Netanjahu von sechs israelischen Ministern. Außenminister Avigdor Lieberman sagte seine Teilnahme jedoch kurzfristig ab. Begründet wurde dies mit Gesundheitsproblemen. Die SPD nannte dies ein „schlechtes Omen“. Grüne und Linkspartei forderten Merkel auf, gegenüber Netanjahu Klartext zu reden.

Vom Kanzleramt wurde die Begegnung als „offenes Gespräch unter Freunden“ charakterisiert. Merkel wollte dabei auch die israelischen Pläne zum Bau von mehr als 3000 weiteren Wohneinheiten in den Palästinensergebieten ansprechen. Ebenso wie zahlreiche andere Staaten versucht Deutschland, Netanjahu davon abzubringen. Befürchtet wird, dass der Nahost-Friedensprozess ansonsten keine Chance hat. Zugleich betont Merkel aber immer wieder die besondere deutsche Verantwortung für Israel als Folge des Holocaust.

Netanjahu bedankte sich in dem Interview für Merkels Unterstützung während des jüngsten Konflikts mit militanten Palästinensern aus dem Gazastreifen. „Gleichzeitig wäre es unaufrichtig, wenn ich verhehlen würde, dass ich enttäuscht war über das deutsche Stimmverhalten bei den Vereinten Nationen - so wie viele in Israel.“ Die deutsche Enthaltung habe trotz guter Absichten das Gegenteil bewirkt. „Sie hat den Frieden zurückgeworfen.“

Der deutsche Vize-Regierungssprecher Georg Streiter wollte auf Netanjahus offene Kritik nicht näher eingehen. Es sei bekannt, dass Merkel eine andere Auffassung vertrete als die israelische Regierung. Zwischen beiden Ländern gebe es aber eine „unzerbrechliche Freundschaft“. Er fügte hinzu: „Je tiefer die Freundschaft, desto freier kann man über unterschiedliche Auffassungen sprechen. Israel weiß genau, dass es sich immer auf Deutschland verlassen kann.“

Mit ihrer Enthaltung in New York war die Bundesregierung innerhalb der Europäischen Union in der Minderheit. 14 EU-Partner befürworteten die Aufwertung der Palästinenser auf dem Weg zu einem eigenen Staat. Aus Europa stimmte nur Tschechien ebenso wie Israel mit Nein. Als Dank stattete Netanjahu am Mittwoch Prag einen Kurzbesuch ab. Bei einem Treffen mit dem konservativen Regierungschef Petr Necas sagte er: „Danke, dass Sie für Frieden eingetreten sind.“

Während des Netanjahu-Besuchs sind in Berlin bis zu 2400 Polizisten zusätzlich im Einsatz, darunter Scharfschützen und Bombenexperten. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe.

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