Angst vor Gefahr stoppt Charlie-Hebdo-Wagen

Köln verzichtet auf einen Wagen zu den Anschlägen in Paris. In Düsseldorf gibt es dazu bislang keine öffentliche Diskussion.

So hätte der Wagen aussehen sollen, den es in Köln nun nicht mehr zu sehen gibt.

So hätte der Wagen aussehen sollen, den es in Köln nun nicht mehr zu sehen gibt.

Foto: dpa

Köln. Beim Rosenmontagszug feiern die Kölner Jecken, sie lachen, sie spotten über alles, was den Leuten gerade auf den Nägeln brennt. Aber es gibt auch Themen, bei denen einem das Lachen im Hals steckenbleibt. Der 11. September 2001 in New York zum Beispiel oder der Kindesmissbrauch in der Kirche. Beides blieb ausgespart in Köln. Das Folterlager Guantanamo und der Volksaufstand in Libyen dagegen fuhren mit auf den Karnevalswagen.

Und auch nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Paris schien es, als könnte man die Mörder verspotten, ohne gegen die Opfer pietätlos zu wirken. Ein Mann mit Pappnase sollte das schaffen — um die Hüfte Zeichenstifte gebunden, wo Terroristen Sprengstoffgürtel tragen. Und dieser Jeck entschärfte mit seinem Stift die Waffe eines Attentäters.

Zusammen mit 13 anderen Entwürfen stand das Motiv online, auf der Facebookseite des Kölner Karnevals, und 2500 Fans sprachen sich dafür aus. „Meinungsfreiheit ist für den Kölner Karneval so wichtig wie die Luft zum Atmen“, begründete der Präsident des Festkomitees Markus Ritterbach die Entscheidung, einen solchen Wagen in den Zug aufzunehmen. Gerade mal eine Woche ist es her, dass die Abstimmung endete und verkündet wurde, der Buntstift-Jeck werde gebaut.

Aber dann, plötzlich, der Rückzieher. Es gab Berichte, wonach Leute, die auf benachbarten Wagen fahren sollten, Furcht vor einem Anschlag hätten. Gerüchte über besonderen Polizeischutz. Nach Aussage des Festkomitees alles Unsinn, aber es habe massenhaft Anrufe und Mails von Menschen gegeben, die sich nicht mehr trauten, zum Rosenmontagszug zu kommen, sagt Zugleiter Christoph Kuckelkorn. „Das muss man auch ernst nehmen. Wir sind nicht in erster Linie Satiriker, sondern Karnevalisten.“

Wohlgemerkt: Es „besteht und bestand keinerlei Risiko für den Kölner Rosenmontagszug, weder für Teilnehmer noch für Besucher — auch ausdrücklich nicht wegen des Charlie-Hebdo-Wagens“, teilte das Festkomitee unter Berufung auf Polizei und Behörden mit. Nicht irgendeine Gefahr hat also den Buntstifte-Mann und seinen Wagen ausgebremst, sondern die Angst vor der Gefahr.

Jetzt ist die Enttäuschung groß bei allen, die sich auf das Signal für Meinungsfreiheit an Rosenmontag gefreut hatten. Spott bekommen plötzlich die Karnevalsfunktionäre selbst ab. Es gebe eben nicht nur Narrenmut, sondern auch Narrenfeigheit, ist auf der Facebookseite zu lesen, und sogar: „Dann haben die Terroristen also gewonnen.“

In Düsseldorf hingegen gibt es zum Thema bislang keine öffentliche Debatte. „Hier kann eine solche Diskussion in der Form gar nicht aufkommen, weil bei uns die Mottowagen bis zum Schluss geheim gehalten werden“, sagt Josef Hinkel, der Präsident des Comitees Düsseldorfer Carneval. Ob es einen Wagen zum Thema gibt, lässt er offen.

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