Arm sind eher die Jüngeren

Der Beirat des Bundeswirtschafts- ministeriums gibt Entwarnung. Die Wohlfahrtsverbände widersprechen.

Berlin. Reichen Rente und Pension für den Lebensabend? Das Thema Altersarmut war eine der Diskussionen dieses Jahres. Doch wie realistisch ist das Problem?

Altersarmut ist derzeit in Deutschland kein akutes gesellschaftliches Problem, sagt der Wissenschaftliche Beirat des FDP-geführten Bundeswirtschaftsministeriums in einer am Dienstag vorgestellten Studie. Und auch die Zukunft könnte sich hier weniger dramatisch gestalten als angenommen.

Die neue Untersuchung dürfte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen kaum gefallen. Noch im Sommer hatte die CDU-Politikerin das Land mit verheerenden Prognosen zur Altersarmut aufgeschreckt.

Sie erklärte, selbst ein monatlicher Bruttolohn von 2500 Euro werde nach 35 Arbeitsjahren ab dem Jahr 2030 nur zu einer Rente in Höhe der staatlichen Grundsicherung führen.

Dass zumindest die Männer beim Renteneintritt bereits heute eine durchschnittliche Beitragszeit von knapp 39 Jahren vorweisen können, unterschlug die Ministerin dabei ebenso wie die Tatsache, dass sich die Lebensarbeitszeit in den kommenden Jahrzehnten schon wegen der demographischen Entwicklung weiter erhöhen wird.

Nach der gestern veröffentlichten Auffassung des Expertenbeirats des Wirtschaftsministeriums geht die ganze Diskussion ohnehin an der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorbei. „Das Armutsproblem Deutschlands liegt derzeit bei den Jungen“, sagte der Leiter der Studie, Axel Börsch- Supan.

Gegenwärtig seien 2,6 Prozent der über 65-Jährigen auf staatliche Grundsicherung angewiesen. Sie beträgt aktuell im Schnitt 707 Euro inklusive der Warmmiete. Im Vergleich dazu lebten 7,4 Prozent der Gesamtbevölkerung von Hartz IV, heißt es in dem Gutachten.

Auch wenn man die Armutsgefährdung zugrunde lege, also ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des Durchschnitts, schnitten Rentner immer noch deutlich besser ab als andere Bevölkerungsgruppen.

Unter den Senioren beträgt die Armutsgefährdungsquote 15,3 Prozent. Das ist etwa jeder Sechste. Bei den alleinerziehenden Müttern ist dagegen mehr als jede dritte (37,1 Prozent) betroffen, unter den Alleinerziehenden mit Migrationshintergrund sogar jede zweite (49,3 Prozent).

Auch bei den 18- bis 25-Jährigen insgesamt liegt die Armutsgefährdungsquote mit 22,4 Prozent höher als in der Gesamtbevölkerung (20 Prozent). Vor diesem Hintergrund sprachen sich die Wissenschaftler gegen von der Leyens Zuschussrente aus, durch die Niedrigverdiener ihre spätere Rente auf einen Betrag oberhalb der Grundsicherung aufgestockt bekommen sollen.

Dagegen warnte die Nationale Armutskonferenz am Dienstag vor Schönfärberei bei diesem Thema. „Armut ist politisch gewollt“, erklärte ihre Vize-Sprecherin Michaela Hofmann mit Blick auf Hartz-IV und den Mangel an Kinderbetreuungsplätzen.

Kern ihrer Kritik war der sogenannte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der bislang nur in Entwürfen vorliegt und intern an manchen Stellen abgeschwächt wurde.

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