Rechtslage Beschlagnahmung: Wohnraum für Flüchtlinge gesucht

Beschlagnahmung und Zwangsvermietung - was der Staat darf und was nicht

Rechtslage: Beschlagnahmung: Wohnraum für Flüchtlinge gesucht
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Berlin. Vielerorts wird es eng. Nach Angaben der CSU hat Deutschland allein im September rund 200.000 Flüchtlinge aufgenommen - etwa so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Manche Kommunen beschlagnahmen deshalb schon private Immobilien, meist Gewerberäume, um Asylbewerber einzuquartieren. Was darf der Staat in dieser Situation und was nicht? Nachfolgend die wichtigsten Details und Hintergründe im Überblick.

Das Privateigentum steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Allerdings: Eigentum verpflichtet. Die Kommunen können in Ausnahmesituationen zu drastischen Maßnahmen greifen. Grundlage dafür ist das Polizei- und Ordnungsrecht. Zur Abwehr von Gefahren und in konkreten Notsituationen - darunter fällt beispielsweise eine massenhaft drohende Obdachlosigkeit von Flüchtlingen - sind auch Beschlagnahmungen möglich. Das entbindet die Städte und Gemeinden aber nicht von ihrer Pflicht, alle anderen Möglichkeiten für die Unterbringung auszuschöpfen. Obendrein muss eine Beschlagnahmung zeitlich begrenzt sein.

Das Land Hamburg hat die Rechtslage durch ein eigenes Gesetz konkretisiert. Demnach sollen leer stehende Privat-Immobilien auch gegen den Willen des Eigentümers von den Behörden angemietet werden können. Das Gesetz gilt bis März 2017. Dabei geht es allerdings nur um gewerbliche Immobilien wie Fabrikgebäude oder Markthallen. Ein ähnliches Gesetz plant jetzt Bremen. In Berlin wird derzeit auch über eine zwangsweise Nutzung von spekulativ leer stehenden Privatwohnungen diskutiert. Die Hauptstadt hat bereits mehrere Gewerbe-Immobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen beschlagnahmt. Dies sei aber im Einvernehmen mit den Besitzern geschehen, hieß es beim Senat. Offenbar werden dafür auch hohe Entschädigungen gezahlt. Andere Bundesländer lehnen eine Beschlagnahmung derzeit ab.

Nach Erkenntnissen des Deutschen Mieterbundes haben einige kleinere Städte bereits angestammten Mietern in Wohnungen kommunaler Wohnungsgesellschaften gekündigt, um dort Flüchtlinge unterzubringen. "Rechtlich bewegen sich die Kommunen damit auf dünnem Eis, weil Städte oder kommunale Wohnungsgesellschaften keinen Eigenbedarf geltend machen können", erläuterte Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch würde nur eine Mietpartei gegen die andere ausgetauscht. Das könne niemals eine Kündigung rechtfertigen, denn sonst würden Mieter in kommunalen Gesellschaften auf einem Pulverfass sitzen, weil sich jederzeit die Situation für eine Kündigung ergeben könnte, warnte Ropertz.

Hier ist die Rechtlage nach Auskunft des Deutschen Mieterbundes eindeutig. Wer eine private Wohnung gemietet habe, brauche nichts zu befürchten, denn das Gesetz schließe eine Kündigung zwecks Erzielung höherer Mieten aus. Dies gelte nicht nur im Hinblick auf die Flüchtlingsunterbringung, sondern generell.

Derzeit nicht. Zwar hat eine bereits im Juni eingesetzte Arbeitsgruppe von Bund und Ländern inzwischen eine Idensammlung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise erstellt, in der auch von Zwangsvermietung die Rede ist. Es gebe aber keine entsprechenden Planungen, versicherte die Bundesregierung. Dort weiß man auch um den politischen Sprengstoff. Mittlerweile kursieren schon Flugblätter neonazistischer Gruppen, in denen Einwohner fälschlicherweise zur Angabe ihrer Wohnungsgröße gegenüber Behörden aufgefordert werden, um Flüchtlinge einzuquartieren. Das erhöht die Unsicherheit, die viele Bürger ohnehin schon wegen der Flüchtlingsströme haben.

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