Bewohner der Kölner Keupstraße: „Wir werden erneut zu Opfern“

Bei den Menschen wächst die Wut auf Anwälte, die auf der Suche nach neuen Nebenklägern sind.

Köln. Bereits sieben Rechtsanwälte aus dem gesamten Bundesgebiet hat der Sprecher der Interessengemeinschaft Keupstraße in Köln, Mitat Özdemir,, gezählt, die in den vergangenen Wochen versucht haben, neue Nebenkläger für den NSU-Prozess in München zu finden. „Es ist unerhört, wenn völlig unbekannte Personen bei uns auftauchen und behaupten, die bisherigen Rechtsanwälte der Nebenklage seien schlecht und sie könnten es besser“, ärgert sich Özdemir am Freitag in Köln.

Bei den Menschen, die bei dem der NSU zugeschriebenen Anschlag in der Keupstraße 2004 verletzt wurden, wächst die Wut. „Wir sind empört über Anwälte, die sich in die Keupstraße einschleichen und dort auf unserem Rücken ihre Geschäfte machen wollen. Nicht jeder kann Opfer sein. Dass muss in jedem Fall genau überprüft werden“, sagt Abdulla Özkan.

Geschockt waren die Opfer des Anschlags vom Antrag eines Rechtsanwalts, der fast dazu geführt hätte, dass der Kölner Fall vom restlichen NSU-Prozess abgetrennt worden wäre. Der Jurist hatte mit Blick auf BKA-Erkenntnisse, dass es bei dem Anschlag in einem Umkreis von 250 Metern Opfer gegeben haben könnte, gefordert, den Prozess auszusetzen. Nur so sei sichergestellt, dass sich bis zu 75 potenzielle neue Nebenkläger melden könnten. Daraufhin hatte der Vorsitzende Richter angedeutet, den Anschlag eventuell vom Prozess abzutrennen.

„Ich dachte zuerst, jetzt sind wir erneut auf eine andere Art zu Opfern geworden. Wir mussten drei Tage zittern und befürchten, aufs Abstellgleis geschoben zu werden“, sagt Özdemir. Auch bei den Anwälten der Nebenklage sitzt der Schock noch tief: „Die vorläufig abgewendete Ausgliederung wäre keine Bagatelle, weil sie die Einstellung des Verfahrens beim Keupstraßen-Anschlag zur Folge haben könnte. Damit würden die Kölner Opfer zum zweiten Mal bestraft“, sagt Rechtsanwalt Reinhard Schön.

Die Anwälte der Nebenklage begründen ihre Vermutung so: Würde Beate Zschäpe wegen Mordes verurteilt, drohe die Einstellung des anschließend zu führenden Verfahrens um den Anschlag, da keine höhere Strafe mehr möglich wäre. Das Werben um neue Nebenkläger habe aber noch nicht aufgehört. Die Gefahr einer Abtrennung bleibe präsent.

Neben dem Appell an die Bewohner der Keupstraße, sich von eventuellen Entschädigungsversprechen von Anwälten nicht blenden zu lassen, wird bei den Nebenklägern auch überlegt, was man verbessern könnte: „Man muss sich Gedanken machen, ob man nicht mit Musterklagen wie im Fall der Telekom-Aktionäre eine bessere Lösung findet“, sagt Anwalt Eberhard Reinecke. Dann würden wenige Nebenklagen für alle Opfer rechtsgültig werden.

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