Bundesrat startet NPD-Verbotsverfahren - Aus für Praxisgebühr

Berlin (dpa) - Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor dem Jahreswechsel der von Nazis ermordeten Sinti und Roma gedacht. Die Länderkammer erinnert damit jedes Jahr an den sogenannten Auschwitz-Erlass vom 16. Dezember 1942.

Ihm fielen etwa 500 000 Sinti, Roma, Jenischen und Angehörige anderer fahrender Völker zum Opfer. Nach der Schweigeminute startete ein Mammutprogramm mit folgenden Entscheidungen:

- RECHTSEXTREMISMUS: Die Weichen für ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sind gestellt: 15 der 16 Länder votierten dafür. Lediglich Hessen enthielt sich unter Hinweis auf erhebliche juristische und politische Risiken des Verfahrens. 2003 war ein erster Versuch, die NPD zu verbieten, in Karlsruhe gescheitert. Offen ist, ob Bundesregierung und Bundestag beim zweiten Anlauf mitziehen.

- BETREUUNGSGELD: Es kann zum 1. August 2013 kommen. Eltern, die dann für ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr keinen Kita-Platz oder eine staatlich bezahlte Tagesmutter in Anspruch nehmen, erhalten ein Betreuungsgeld von zunächst 100 Euro, später 150 Euro im Monat. Der Versuch rot-grüner Länder, das Gesetz aufzuhalten, scheiterte.

- PRAXISGEBÜHR: Sie fällt zum 1. Januar 2013 weg. Damit müssen Kassenpatienten dann den 10-Euro-Aufschlag für den ersten Arztbesuch im Quartal nicht mehr bezahlen. Grund sind die Milliardenüberschüsse in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Praxisgebühr entlastete die Kassen um knapp zwei Milliarden Euro pro Jahr.

- BESCHNEIDUNG: Sie bleibt für jüdische und muslimische Jungen in Deutschland erlaubt, wenn sie „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ abläuft. Das macht im Zweifel auch eine Betäubung oder Narkose nötig. Solange das Kind noch keine sechs Monate alt ist, sollen nicht nur Ärzte den Eingriff vornehmen dürfen, sondern auch ausgebildete Beschneider.

- LEBENSVERSICHERUNGEN: Die von der schwarz-gelben Koalition vorgesehenen Abschläge bei Auszahlungen von Lebensversicherungen liegen vorerst auf Eis. Der Bundesrat legte sein Veto ein und rief den Vermittlungsausschuss an. Das Gesetz soll die Beteiligung der Versicherten an den zurzeit besonders hohen Bewertungsreserven für festverzinsliche Wertpapiere begrenzen. Die Bundesregierung kündigte bereits eine Nachbesserung an.

- ENERGIE: Über eine neue Haftungsumlage für See-Windparks werden auch die Verbraucher von 2013 an zur Kasse gebeten. Pro Jahr könnten für einen Haushalt bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden durch die neue Umlage Mehrkosten von 8,75 Euro entstehen. In einigen Stromtarifen ist dies bereits berücksichtigt.

- GELDWÄSCHE: Wer Schwarzgeld durch Internet-Glücksspiel am Fiskus vorbeimogeln will, hat es künftig schwerer: Schärfere Vorschriften für Online-Portale machen Zahlungsströme transparenter und erleichtern die Identifizierung der Spieler. Nicht mehr verwendet werden dürfen anonyme Prepaid-Karten.

- HARTZ IV: Die mehr als zwei Millionen bedürftigen Kinder sollen leichteren Zugang zum Hartz-IV-Bildungspaket bekommen - etwa zu den Zuschüssen zu Klassenfahrten. Erreicht werden soll das durch weniger Verwaltungsaufwand für die mit den Leistungen befassten Ämter und Behörden.

- STEUERN: Das Steuerrecht soll einfacher werden: Etwa durch leichteren Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer oder eine Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags. Daneben soll es höhere Freibeträge im Lohnsteuerabzugsverfahren sowie Erleichterungen beim Nachweis von Pflegekosten geben.

- KERNKRAFT: Strengere Regeln für den Rückbau von Atommeilern wird es nicht geben. Schleswig-Holstein fiel mit einem solchen Antrag durch.

- UMWELT: Bohrungen zur Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten sollen nur nach einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung möglich sein. Die verschärften Auflagen für das sogenannte Fracking soll die Bundesregierung per Verordnung regeln. Bisher fehlt eine bundesweite Regelung. Kritiker befürchten eine Verseuchung des Grundwassers durch Chemikalieneinsatz zum Aufbrechen des Gesteins.

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