Selbsttötung Bundestag berät: Wird Hilfe zum Suizid verboten?

Vier Entwürfe liegen dem Bundestag vor. Eine Einordnung eines Gesetzesvorhabens, bei dem es um Leben und Tod geht.

Das tödliche Mittel steht in einem Raum der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas in Zürich bereit.

Das tödliche Mittel steht in einem Raum der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas in Zürich bereit.

Foto: Gaetan Bally

Düsseldorf. Die einen sagen: „Die Unterstützung des Todeswunsches stößt den Betreffenden in den Abgrund, lässt ihn fallen.“ Die anderen sagen: „Es muss eine Regelung geben, die es Ärzten ausdrücklich ermöglicht, dem Wunsch des Patienten nach Hilfe bei der selbstvollzogenen Lebensbeendigung entsprechen zu können.“

Die einen und die anderen — das sind Bundestagsabgeordnete, die um eine Frage auf Leben und Tod ringen: Soll es straflos bleiben, wenn man einem zum Suizid Entschlossenen bei der Umsetzung seines Vorhabens hilft?Am Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung über ein Gesetz zum assistierten Suizid. Vier Anträge liegen vor. Parteiübergreifend argumentieren hier Abgeordnete verschiedener Couleur mit- und gegeneinander.

Ins Rollen gebracht wurde die Debatte durch Sterbehilfevereine wie den des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch, die ihren Mitgliedern Unterstützung bei der Selbsttötung anbieten. Schweizer Organisationen wie Dignitas oder Exit sind hier schon länger aktiv. Passive und aktive Sterbehilfe, Suizidbeihilfe — eine Abgrenzung Der Bundestag hat auch in der Vergangenheit schon über Sterbehilfe diskutiert und entschieden.

Damals ging es um die Fälle der indirekten oder passiven Sterbehilfe. Bei der indirekten Sterbehilfe gibt ein Arzt einem unheilbar Kranken mit dessen Einverständnis schmerzlindernde Medikamente. Als Nebenwirkung führen sie schneller zum Tod. Das ist genauso wenig strafbar wie die sogenannte passive Sterbehilfe: der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei tödlich verlaufender Erkrankung.

So ist ein bewusstes Sterbenlassen etwa durch Abschalten eines Beatmungsgerätes zulässig, wenn dieses einem zuvor in einer Patientenverfügung geäußerten Willen des Patienten entspricht.

Verboten ist dagegen die aktive Sterbehilfe: das Töten durch eine Überdosis Medikamente oder durch eine Spritze. Auch wenn dies dem Patientenwunsch entspricht, wird es als Tötung auf Verlangen mit bis zu fünf Jahren bestraft.

Zwischen diesen Formen der „Sterbehilfe“ liegt der Bereich, um den es jetzt geht: die Suizidbeihilfe. Hier gibt es keinen Täter, der von außen das Geschehen bestimmt. Der Todeswillige hat es selbst in der Hand, will aber Hilfe in Anspruch nehmen. Er braucht jemanden, der ihm das tödlich wirkende Medikament verschafft. Der ihm hilft, ihm assistiert.

Rechtlich ist es so: Weil Suizid keine Straftat ist (wer sich selbst tötet, macht sich nicht strafbar), kann — bisher — auch eine Beihilfe nicht bestraft werden. Ohne strafbare Haupttat kann es auch keine strafbare Beihilfetat geben. Allerdings ist die Suizidbeihilfe auch schon jetzt für den Helfer nicht risikolos. Hat der Sterbewillige das Bewusstsein verloren, kann der Helfer plötzlich eine sogenannte Garantenstellung haben: Er ist für den Hilflosen verantwortlich, muss ihm gegebenenfalls helfen. Andernfalls könnte er sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen.

Was erlaubt und was verboten ist, ist vielen Menschen unklar. Die Grenzen verschwimmen. Zur weiteren Verunsicherung führt, dass einige Landesärztekammern (nicht alle) in ihren Berufsordnungen die Beihilfe zur Selbsttötung verbieten. Trotz Straflosigkeit nach dem Strafgesetzbuch kann der Arzt seine Zulassung verlieren.

Dies ist also die Ausgangslage für die Gewissensentscheidung, vor der die Abgeordneten stehen, wenn sie über ein Thema entscheiden, das jeden betreffen kann. Welcher der Anträge (unten) am Ende Gesetz wird, soll endgültig im November entschieden werden.

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