Claudia Roth: Gestrauchelt — nicht gefallen

Claudia Roth will trotz der Urwahl-Schlappe Parteichefin bleiben. Mit ihrer Wahl ist zu rechnen. Doch die Amtszeit könnte kürzer werden.

Berlin. Zwei Tage lang war Claudia Roth für die Öffentlichkeit nicht zu sprechen. Und auch am Montagmorgen, als die 57-Jährige in einem schwarzen Outfit und ganz ohne den gewohnten grellfarbenen Schal um kurz nach acht Uhr vor die Presse trat, wirkte sie immer noch geschockt.

Gerade einmal 9180 Grünen-Mitglieder konnten sich die amtierende Parteivorsitzende auch als Spitzenkandidatin für die nächste Bundestagswahl vorstellen — nur jeder vierte der am Votum Beteiligten.

Das sei eine „bittere Enttäuschung“, ja, eine „herbe Klatsche“, räumte Roth, Tränen unterdrückend, ein. Noch vor kurzem hatte sie in einem Interview erklärt, dass die Grünen ihr „Leben“ seien und sie das „noch nie“ bereut habe.

Sie war es, die die Mitgliederbefragung initiiert hatte, auf dass Jürgen Trittin nicht zum alleinigen Spitzenkandidaten ausgerufen werde. Eine Frau sollte ihm zur Seite stehen. Und nun landete ausgerechnet sie unter allen weiblichen Kandidaten auf dem letzten Platz.

Kein Wunder also, dass Spekulationen über Roths Rückzug die Runde machten. Sie selbst habe „große Zerrissenheit“ gespürt, gab sie zu. Wer jedoch glaubte, Roth würde für den Grünen-Vorsitz auf dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende nicht wieder kandidieren, der sah sich getäuscht.

Eine Vielzahl von Rückmeldungen habe sie erreicht, ausnahmslos aufmunternde Worte und reger Zuspruch, erneut anzutreten, berichtete Roth. Deshalb werde sie ihre Kandidatur nicht zurückziehen.

Tatsächlich ist die linke Flügel-Frau von vielen Parteifreunden zum Wiederantritt gedrängt worden. Am Sonntagnachmittag hatten sich rund ein Dutzend namhafte Realo-Vertreter zu einer Telefonkonferenz verabredet.

Darunter die frisch gebackene Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann. Der Befund der Runde war klar: Roth müsse bei der Stange gehalten werden, sonst stecke man sofort in einer neuen Personaldiskussion.

Und wie geht es nun weiter? Beobachter rechnen in Hannover angesichts dieser Vorgeschichte mit einem guten Ergebnis für Roth. Ob sie allerdings dann zwei Jahre Vorsitzende bleibt, wie es die grünen Regularien eigentlich vorsehen, ist zweifelhaft. Kämen die Grünen in die Regierung, rechnet sich Roth Chancen auf das Amt der Entwicklungshilfeministerin aus. Dies wäre jedoch mit dem Vorsitz unvereinbar.

Landen die Grünen dagegen wieder in der Opposition, wäre wohl ein personeller Neuanfang vonnöten, der sich kaum mit dem Namen Roth verbinden lässt.

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