DDR-Vergangenheit holt Gysi ein

Linke-Zugpferd sieht sich neuen Vorwürfen ausgesetzt.

Berlin. Für die Linkspartei wird der Politische Aschermittwoch in diesem Jahr weniger beschwingt als sonst. Ihr Zugpferd Gregor Gysi musste seine traditionelle Büttenrede in Bayern kurzfristig absagen. Bei einer Ski-Abfahrt in Österreich hatte sich der Fraktionschef vor wenigen Tagen die Schulter gebrochen. Am Montag wurde er in einem Berliner Krankenhaus operiert.

Dabei könnte die Linke Gysis Wortgewalt gerade jetzt gut gebrauchen. Denn wieder einmal hat Gysi die DDR-Vergangenheit eingeholt. Nun scheiden sich die Geister daran, ob das der Linken im anstehenden Bundestagswahlkampf schadet. Gysi war erst kürzlich im Rahmen eines Teams zum Spitzenkandidaten für den Urnengang am 22. September bestimmt worden. Mit dem Vorwurf, ein inoffizieller Zuträger der Stasi gewesen zu sein, sieht sich Gysi schon seit Jahren konfrontiert.

Auch der aktuelle Vorgang sorgte bereits für Schlagzeilen, erhält aber jetzt neue Brisanz, weil eine Anzeige gegen Gysi vorliegt und die Hamburger Staatsanwaltschaft deshalb ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Gysi genießt deshalb auch keine Immunität mehr, was es bei einem Fraktionschef im Bundestag noch nie gegeben hat.

Ausgangspunkt ist eine eidesstattliche Versicherung Gysis, wonach er „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich an die Staatssicherheit berichtet“ habe. Auf der anderen Seite gibt es einen Stasi-Vermerk, wonach Gysi am 16. Februar 1989 Stasi-Offizieren über ein Interview mit zwei Journalisten des „Spiegel“ Auskunft gab. Gysi war damals Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte in der DDR.

Der Kläger, ein früherer Richter, sieht nun einen Widerspruch zwischen eidesstattlicher Erklärung und dem Stasi-Vermerk. Dazu erklärte der Sprecher der Linksfraktion, Hendrik Thalheim, dass Gysi im Gespräch mit den Stasi-Offizieren offensichtlich über das von ihm gegebene Interview erzählt habe, aber nicht über persönliche Belange der Interview-Partner. Vielmehr habe er das Spiegel-Interview genutzt, um eine große Zahl von Mängeln in der Rechtsstaatlichkeit der DDR zu Protokoll zu geben.

Der von der „Welt am Sonntag“ ins Rollen gebrachte Vorgang scheint nach bisherigem Stand eher dazu geeignet zu sein, die Reihen bei den Linken zu schließen. Fraktionsvize Ulrich Mauer sprach am Montag von einer „Hexenjagd“ gegen Gysi. Ähnlich klang es zuvor schon bei anderen prominenten Linkspolitikern.

Der Parteienforscher Jürgen Falter geht davon aus, dass die jüngsten Turbulenzen um Gysi den Linken schaden könnten. Erweise sich der Verdacht der eidesstattlichen Falschaussage als begründet, könnten sich viele von Gysi betrogen fühlen, so Falter.

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