Fast schon alltäglich - Gewalt und Drohungen gegen Politiker

Berlin (dpa). Nach der Messerattacke auf Kölns Sozialdezernentin Henriette Reker zeigt sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière besorgt über zunehmende Gewalt in der Flüchtlingsdebatte.

Die bei einer Messerattacke verletzte Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker wird in der Universitätsklinik Köln behandelt.

Die bei einer Messerattacke verletzte Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker wird in der Universitätsklinik Köln behandelt.

Foto: dpa

Er sei schon „seit langem besorgt über die hasserfüllte Sprache und gewalttätigen Aktionen“, sagte der CDU-Politiker. Die Brutalität des Angriffs in Köln ist bislang einmalig. Unzählige andere Politiker wurden allerdings bereits bedroht und eingeschüchtert. Ein Überblick:

In LEIPZIG wurde zu Wochenbeginn Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) mit einer Hassbotschaft bedroht. Unbekannte schmierten auf einen Container in der Innenstadt einen Galgen und die Worte „OB Jung wir kriegen Dich“.

MAGDEBURGS Oberbürgermeister Lutz Trümper hatte im Frühjahr mehrere Morddrohungen erhalten, die teils mit SS-Runen versehen waren. Trümper trat im Oktober aus der SPD aus. Er trage die Haltung der Partei zum Flüchtlingsthema nicht mehr, sagte er zur Begründung.

Der Ortsbürgermeister von TRÖGLITZ in Sachsen-Anhalt, Markus Nierth, trat im März zurück, weil er sich im Widerstand gegen rechtsextreme Gruppen im Ort alleingelassen fühlte. Einen Monat später sorgte ein Brandanschlag auf die geplante Unterkunft bundesweit für Schlagzeilen.

Im Frühjahr hatte THÜRINGENS Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) öffentlich gemacht, per Brief, Mail und über Facebook drei Morddrohungen erhalten zu haben. „Der sprachliche Bezug zur Flüchtlingsdebatte ist eindeutig“, sagte er. In einem Schmähbrief sei weißes Pulver gewesen, das sich später als Mehl herausstellte. Laut LKA sind allein im Zusammenhang mit Ramelow insgesamt 24 Verfahren anhängig. Meist gehe es um Beleidigung und Bedrohung in Mails oder Briefen.

Im hessischen MAIN-KINZIG-KREIS stand der Landrat Erich Pipa zeitweise bei Veranstaltungen unter Polizeischutz. Ihm war im September in einem diffamierenden Schreiben gedroht worden, dass ihn jemand aus dem Weg räumen könne. Die Verfasser machten ihm seinen humanen Umgang mit Flüchtlingen zum Vorwurf. Absender der Drohbriefe war eine „Initiative Heimatschutz Kinzigtal“, die dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet wird.

In BRANDENBURG entlädt sich der Hass von rechten Straftätern in einer steigenden Zahl von Anschlägen auf Parteibüros. In diesem Jahr wurden bereits in rund 20 Fällen Scheiben eingeschmissen und rechte Parolen auf die Fassaden geschmiert. Zumeist waren Parteibüros der Linken Ziele der Anschläge und in fünf Fällen Geschäftsstellen der SPD, darunter auch das Bürgerbüro von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Aber auch CDU und AfD wurden attackiert.

In KONSTANZ erhielten mehrere Stadträte fremdenfeindliche Mails, in denen unter anderem vor einem Bürgerkrieg und einer „Asylantenflut“ gewarnt wurde. Zwar habe es solche Briefe und Mails auch in der Vergangenheit schon gegeben. „Das kommt immer wieder vor“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sei das aber signifikant angestiegen.

Der Landrat des OSTALBKREISES in Baden-Württemberg, Klaus Pavel, erlebt derzeit so viele Beschimpfungen und Hassbotschaften wie nie zuvor in seinen fast 20 Amtsjahren. „Es gibt keine Hemmschwelle mehr“, sagt Pavel. Der Landrat engagierte sich für die Einrichtung der Erstaufnahmestelle in Ellwangen, die seit Monaten hoffnungslos überfüllt ist. Er berichtet von einer Flut von Hassnachrichten per Mail und Facebook - alles bezogen auf seine Flüchtlingsarbeit.

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