Gleiche Rechte für Homosexuelle: Ein Ehegattensplitting für alle — oder keinen?

Karlsruhe gibt homosexuellen Lebenspartnern gleiche Rechte. Die Koalition streitet.

Berlin. Karlsruhe legt nach: Zum zweiten Mal innerhalb von acht Tagen hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte schwuler und lesbischer Lebenspartner gestärkt.

Nach der Gleichstellung bei den Zuschlägen für Beamte fordern die Richter nun Gleichbehandlung bei der Grunderwerbssteuer — rückwirkend ab 2001, also so lange, wie es die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ gibt (Az. 1 BvL 16/11).

Schon die Entscheidung aus der vergangenen Woche hat eine Diskussion angestoßen: 13 Bundestagsabgeordnete der Union fordern jetzt auch eine Gleichbehandlung beim Ehegattensplitting.

Es sei „nicht akzeptabel, dass der Politik immer wieder und absehbar vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben werden muss, diese Ungleichbehandlung abzuschaffen“. Nun könnte Karlsruhe der Debatte zusätzlichen Schwung verleihen.

Derzeit drei Verfassungsbeschwerden gegen die Benachteiligung beim Ehegattensplitting sind anhängig. Ein konkreter Termin für eine Entscheidung ist noch nicht absehbar.

„Meines Erachtens kann man es sich an fünf Fingern ausrechnen: Wenn es bei der Grunderwerbssteuer so gesehen wird, dann wird es bei der Einkommensteuer genauso gesehen“, meint Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will abwarten — es sieht aus, als wolle er sich eher von den Richtern zwingen lassen, als selbst tätig zu werden.

Damit verschärft sich auch der Streit in der schwarz-gelben Koalition. Wirtschaftsminister Philipp Rösler sieht Handlungsbedarf. Er pocht wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP) sowie Familienministerin Kristina Schröder (CDU) auf neue Gesetze. CSU-Chef Horst Seehofer warnt dagegen vor einer Gleichstellung.

Ungeachtet des Streits würden sich die Kosten einer Angleichung in Grenzen halten: Mit 30 Millionen Euro pro Jahr rechnet das Finanzministerium. Beim Splitting werden die Einkünfte der Partner addiert und dann gleichmäßig auf beide verteilt.

SPD, Grünen und Linke würden das Splitting am liebsten abschaffen oder jedenfalls stark reduzieren. Aus Sicht der Kritiker zementiert das seit Ende der 1950er Jahre bestehende Ehegattensplitting ein nicht mehr zeitgemäßes Partnerschaftsbild: Der Mann geht arbeiten, die Frau bleibt zu Hause. Das Splitting sei ein wichtiger Grund, dass vergleichsweise wenige verheiratete Frauen in Deutschland erwerbstätig sind.

Entsprechend hoch sei das Risiko für Frauen, in Altersarmut zu fallen. Auch aus diesen Gründen will die SPD für künftige Paare anstelle des Ehegattensplittings eine getrennte Besteuerung einführen. Die gibt es auch in vielen anderen europäischen Staaten.

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