Gröhe kämpft für sich allein

Beim Kampf um den Aufstieg in den Bundesvorstand kann der Neusser Minister nicht auf die Kanzlerin zählen.

Neuss/Köln. Nach der überraschenden Niederlage im Kampf um den Vorsitz der Niederrhein-CDU wird Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (53) wohl nicht mit der Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnen können, wenn er in gut zwei Wochen zum nächsten Karriere-Sprung ansetzt.

Auf dem Bundesparteitag vom 8. bis zum 10. Dezember in Köln will Gröhe in den inneren Führungskreis der Bundes-CDU aufsteigen und sich um einen Präsidiums-Posten bewerben. Das will aber auch der Gesundheitsexperte Jens Spahn (34). Mit Gröhe und Spahn wäre Nordrhein-Westfalen jedoch auf Bundesebene überrepräsentiert. Angela Merkel werde sich aus dem Konflikt heraushalten, heißt es.

Das ist bitter für Gröhe, der als CDU-Generalsekretär noch 2013 ihren Wahlkampf führte und dabei recht erfolgreich war. Doch es ist ebenso wie Gröhes Niederlage vom vergangenen Freitag symptomatisch für den beständig sinkenden Stern der CDU in Neuss und im Rhein-Kreis Neuss. Denn in der einst uneinnehmbaren schwarzen Hochburg zeitigt die jahrelange teils zerstörerische Beschäftigung ausschließlich mit sich selbst langsam Folgen für die CDU.

Bei der Landtagswahl 2012 nahm die SPD der CDU gleich zwei Landtagsmandate ab. Hauptbeschädigter: Der Neusser CDU-Parteichef Jörg Geerlings, der nach nur zwei Jahren sein Landtagsmandat verlor. Vor der Kommunalwahl in diesem Jahr gelang es dem CDU-Chef nicht, seine Kandidatenvorschläge an der Basis durchzusetzen. Im Neusser Rat kann die CDU kaum noch zählen, wie viele Fraktionsvorsitzende sie im Laufe der Jahre verschlissen hat.

Bei der Kommunalwahl ging nach Rommerskirchen mit Dormagen das zweite Bürgermeisteramt im Rhein-Kreis an die SPD verloren. Inzwischen rechnen die Sozialdemokraten sich aus, 2015 das Bürgermeisteramt in Neuss nach mehr als 60 Jahren CDU-Herrschaft erringen zu können. Unrealistisch ist das nicht. Für die CDU tritt Herbert Napp (68), seit 1999 im Amt und damit dienstältester Bürgermeister einer deutschen Großstadt, nicht mehr an. Statt seiner bietet die CDU nun Thomas Nickel auf. Bei seinem Dienstantritt wäre Nickel ebenfalls 68 Jahre alt.

Nickel ist Rentner, war Direktor einer Versicherung und ist Ehrenvorsitzender des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln. Vor allem aber ist Nickel Präsident des in Neuss mächtigen Bürgerschützenvereins. Vor Jahren wäre das in Neuss die Garantie für den sicheren Sieg gewesen. Heute ist der CDU-Kandidat die beste Werbung der SPD, dass es Zeit für einen Wechsel wird.

Wie sehr sich die Christdemokraten nach unumstrittenen Personal sehnen, wurde am vergangenen Sonntag deutlich, als sie Landrat Hans-Jürgen Petrauschke (58) fast einstimmig (134 Ja, 1 Nein, 1 Enthaltung = 99,26 Prozent) erneut zum Kandidaten für das Landratsamt wählte; es gab keinen Gegenkandidaten. Unbeschädigteres Personal hat die Neusser CDU nicht mehr.

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