Grüne und Länder stützen Atom-Ausstieg

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann bei ihrer radikalen Atomwende mit Rückendeckung von Grünen, SPD und Bundesländern rechnen. Trotz Streitereien um Fördermilliarden für Windstrom und Gebäudesanierung zeichnet sich ein breiter Konsens für den Atomausstieg bis 2022 ab.

Die Grünen-Spitze will Merkels stufenweise AKW-Abschaltung nun auch mittragen, muss aber noch die wütende Basis überzeugen.

Parteichefin Claudia Roth argumentiert, die Grünen und die Anti-Atom-Bewegung hätten nach Fukushima Merkels dramatischen Kurswechsel erst erzwungen. „Diesen Erfolg, den überlass ich nicht Frau Merkel“, sagte Roth in Berlin. Am Samstag kommender Woche wollen die Grünen auf einem Sonderparteitag über die Atomfrage abstimmen. Die Führungsspitze baute den Kritikern eine Brücke, indem sie das schwarz-gelbe Gesetzespaket für mehr Ökostrom scharf attackierte.

„Wenn sich da nichts substanziell verändert in den sieben Gesetzen, dann wird es von uns keine Zustimmung geben können“, sagte Roth. Die Industrie werde geschont, den Verbrauchern drohten höhere Strompreise. Windkraftanlagen an Land sollten noch schlechter als bisher gefördert, stattdessen klimaschädliche Kohlekraftwerke gebaut werden. Beim Energiesparen bleibe die Merkel-Regierung „ein Totalausfall“.

Die 16 Ministerpräsidenten von Union, SPD und Grünen wollen bei den schwarz-gelben Plänen grundsätzlich mitziehen, fordern aber mehr Tempo bei Gebäudesanierung und Windkraft-Ausbau. Der Bundesrat befasste sich am Freitag erstmals mit dem über 700 Seiten starken Gesetzespaket zur Energiewende. Voraussichtlich sechs von sieben Gesetzen kann die schwarz-gelbe Koalition, die in der Länderkammer keine Mehrheit hat, alleine beschließen.

Weitgehend einig sind sich Bund und Länder, dass dringend benötigte neue Stromleitungen schneller gebaut werden. Die Regierung will dafür mehr Kompetenzen. Beim Bau der Stromtrassen, die Windstrom von den Küsten in den Süden transportieren, soll notfalls der Naturschutz eingeschränkt werden. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte sich jedoch kritisch: „Das geplante Vorhaben der Bundesregierung, sowohl die Raumordnungsverfahren als auch die Planfeststellungsverfahren auf Bundesebene zu ziehen, lehnen wir ab.“

Nach dem Willen der Länder soll der Bund für mögliche Milliardenklagen der Atomkonzerne alleine geradestehen. Die Konzerne könnten gegen die stufenweise Abschaltung ihrer Meiler sowie gegen die Atomsteuer vor Gericht ziehen. „Wir brauchen daher das klare Signal, dass die Länderhaushalte nicht mit Entschädigungspflichten und Haftungsrisiken konfrontiert werden“, sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU).

Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) lobte Merkels Konsens-Initiative, forderte aber mehr Ehrgeiz beim Ökostromausbau. „Es kann doch nicht sein, dass wir bei den 35 Prozent (bis 2020) bleiben.“ Auch sollte die schon auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockte Förderung der Gebäudesanierung nochmals auf 5 Milliarden erhöht werden. Der Bund will aber nicht nachlegen.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte einen Neustart bei der Endlager-Suche an. Auch Bayern sei dafür offen: „Wir sind bereit, an Alternativen der Endlagerung mitzuwirken.“ Bisher wurde nur der Salzstock Gorleben in Niedersachsen als Atommüll-Endlager erforscht.

Unterdessen ist das Aus für die acht älteren Atomkraftwerke besiegelt. Auch der Energiekonzern EnBW wird seine Meiler nach Auslaufen des Atom-Moratoriums der Bundesregierung nicht wieder anfahren. RWE will Biblis B in Hessen vom Netz lassen. Rechtlich wäre ein Anfahren der durch das Moratorium für drei Monate stillgelegten Meiler für einige Wochen möglich, weil das Atomgesetz mit dem dauerhaften Aus nicht vor Mitte Juli vorliegt.

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