Jeder 6. Ostdeutsche radikal

In den neuen Ländern breitet sich rechtsextreme Gesinnung aus. Im Westen ist die Entwicklung hingegen rückläufig.

Berlin. Rechtsextreme Einstellungen sind auf dem Vormarsch: Einer Studie zufolge haben inzwischen neun Prozent der Bevölkerung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. In Ostdeutschland gilt das sogar für jeden sechsten. Dort sei der Anteil von 10,5 Prozent im Jahr 2010 auf 15,8 Prozent gewachsen, heißt es in der Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Forscher stellten Fragen in sechs Kategorien: Befürwortung einer Diktatur, übersteigertes Nationalgefühl, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Wenn jemand in allen Bereichen die Fragen klar bejaht, spricht man von einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild.

Generell liegen die Ostdeutschen in fünf von sechs Kategorien „vor“ dem Westen. Nur bei der Frage, ob der Nationalsozialismus seine guten Seiten gehabt habe, ist die Zustimmung im Westen höher. Seit 2002 stieg der Anteil von Menschen mit rechtsextremem Weltbild im Osten von 8,1 auf 15,8 Prozent, im Westen ging er von 11,3 auf 7,3 zurück. Die Ausländerfeindlichkeit stieg im Osten in zehn Jahren von 30,2 auf 38,7 Prozent.

Rechtsextremistische Einstellungen sind in den neuen Ländern kein Problem der Alten mehr — die 14- bis 30-Jährigen liegen dort in fast allen Kategorien deutlich vor den über 60-Jährigen.

Menschen mit Abitur denken nur halb so häufig rechts wie Menschen ohne Abitur. Offene und indirekte Judenfeindlichkeit sind in Ost und West weit verbreitet. 62 Prozent finden, man solle sich nicht mehr so viel den Ereignissen vor 60 Jahren widmen. Ebenfalls stark zunehmend: die Islamfeindlichkeit.

Wolfgang Thierse, Bundestagsvizepräsident, sagte unserer Zeitung: „Die Studie ist eine alarmierende Anfrage an das Bildungssystem und die Familie in den neuen Ländern.“ Zugleich werde deutlich, dass Rechtsextremismus vor allem sozialökonomische Ursachen habe. „Nur wenn wir den jungen Menschen überall in Deutschland gute berufliche Perspektiven geben, können wir dieses Phänomen stärker eingrenzen.“

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