Keine einheitliche Rechtspraxis nach Beschneidungsurteil

Berlin (dpa) - Das Kölner Urteil zur Strafbarkeit religiös motivierter Beschneidungen schlägt politisch hohe Wellen, hat in der Rechtspraxis aber zunächst nur wenig Folgen.

Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur sind den deutschen Strafverfolgungsbehörden bislang keine weiteren Strafanzeigen wegen der Beschneidung von Kindern bekanntgeworden. Die meisten Staatsanwaltschaften haben sich daher noch nicht darauf festgelegt, wie sie in solchen Fällen vorgehen wollen.

Eine Ausnahme bildet Baden-Württemberg. Dort soll die rituelle Beschneidung von Jungen weiter grundsätzlich straffrei bleiben, wenn sie medizinisch korrekt ausgeführt wird. Die zuständigen Generalstaatsanwaltschaften in Stuttgart und Karlsruhe haben bereits angekündigt, in solchen Fällen auch in Zukunft nicht zu ermitteln, sondern die gesetzliche Regelung abzuwarten. Wie die aussehen soll, ist allerdings noch offen.

In den anderen Bundesländern können Eltern nicht unbedingt auf Straffreiheit hoffen, selbst wenn die Beschneidung medizinisch einwandfrei durchgeführt wird. „Entscheidend für eine rechtliche Beurteilung dürften jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls sein“, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt/Main. Das bestätigen auch die anderen befragten Behörden. „Zu diesem Thema gibt es keine generelle Leitlinie. Es handelt sich um eine Frage des Einzelfalls“, sagte Generalstaatsanwalt Horst Hund aus Zweibrücken der dpa.

Das Landgericht Köln hatte Ende Juni religiös motivierte Beschneidungen von Jungen für rechtswidrig und strafbar erklärt. Das Urteil ist eine Einzelfallentscheidung und nicht bindend für andere Gerichte. Dennoch bieten viele Ärzte diese Eingriffe seither nicht mehr an. Der Bundestag macht sich nun für ein Neuregelung stark, um medizinisch fachgerechte Beschneidungen aus religiösen Gründen zu erlauben.

In Nordrhein-Westfalen wird die rituelle Beschneidung auch nach dem Kölner Urteil nicht zwingend strafrechtlich verfolgt. Voraussetzung sei die elterliche Einwilligung und medizinisch korrekte Durchführung durch einen approbierten Arzt, erklärte die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft.

In Köln wird die Rechtslage vorsichtiger bewertet: „Es wird immer nach dem Einzelfall geschaut“, sagte der Sprecher der Kölner Generalstaatsanwaltschaft, Guido Kläsener. Gegen einen Mediziner werde nicht ermittelt, wenn der Eingriff medizinisch korrekt durchgeführt wurde und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe. Werde eine Beschneidung als Körperverletzung angezeigt, müsse die Staatsanwaltschaft dies prüfen, erläutert ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums.

In Thüringen stellt sich das Problem nach Angaben der jüdischen Landesgemeinde derzeit nicht - weil es keine neugeborenen Kinder gibt. Auch für Mecklenburg-Vorpommern wurde bislang keine generelle Regelung getroffen, da es noch keine konkreten Fälle gab.

In Sachsen-Anhalt berät der Generalstaatsanwalt derzeit mit seinen Kollegen, was zu tun ist. „Der politische Meinungsbildungsprozess läuft“, sagte die Sprecherin des Magdeburger Justizministeriums, Ute Albersmann. Der Sprecher der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft, Wolfgang Klein, erklärte: „Ich gehe davon aus, dass das hierzu avisierte Bundesgesetz Rechtsklarheit schaffen wird.“

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