Kinder sollen Druckbuchstaben schreiben

Der Grundschulverband hat die Grundschrift selbst entwickelt — erprobt ist sie aber nicht.

Düsseldorf. Zeitungsartikel, Computer- oder Handytastatur — im Alltag begegnet Menschen meist die Druckschrift. Warum also noch eine Schreibschrift erlernen? Diese Frage hat sich auch der Grundschulverband gestellt — und propagiert nun die Abschaffung der Schreibschrift. Im Mai 2010 lancierte der Verband die Kampagne „Grundschrift: damit Kinder besser schreiben lernen“.

Die sogenannte Grundschrift hat der Verband selbst entwickelt. In dem dafür einberufenen Expertenteam saßen etwa der Grundschullehrer und stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Ulrich Hecker, und der ehemalige Vorsitzende Horst Bartnitzky. „Die Schüler lernen in der ersten Phase das Schreiben der Druckbuchstaben, in der zweiten, welche Buchstaben man verbinden kann“, sagt Bartnitzky. Nicht jedes Kind müsse dieselben Buchstaben verbinden.

Werner Kuhmann, Psychologe an der Uni Wuppertal, hält die Forderung des Grundschulverbands für den falschen Ansatz: „Die Idee dahinter ist, Schwierigkeiten — das schlechte Schriftbild — zu reduzieren, indem man die Schrift vereinfacht.“ Das wahre Problem aber sei, dass in den Schulen das Schreibtraining „extrem zurückgefahren wird“.

Bei der Schreibschrift würden die Verbindungsbögen zwischen den einzelnen Buchstaben die Handbewegung nicht hemmen, die Schrift sei flüssig. Das könnten Druckbuchstaben nicht leisten, so der Wissenschaftler.

Horst Bartnitzky widerspricht: „Wir gehen davon aus, dass die Grundschrift leserlich und formklar ist. Und, dass sie schnell geschrieben werden kann.“

Ute Andresen, ehemals Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben, kritisiert die Methode. „Der Verband sitzt dem Irrtum auf, man könne aus der Schrift eines Erwachsenen — der als geübter Könner nur noch manche Buchstaben verbindet — direkt ableiten, wie lernende Anfänger schreiben sollen.“ Das Konzept, dass Kinder so viel wie möglich selbst erlernen, sei populistisch. „Kindern viel Freiraum geben und viel zutrauen, ist nicht immer richtig.“

Schüler könnten sich nur sehr selten ökonomisch sinnvolle Verbindungen zwischen den Buchstaben selbst aneignen. Das Schreiben werde somit kein automatisierter Prozess, und das ist für Andresen gravierend: „Ohne geläufige Schreibschrift braucht man einen Teil seiner Hirnkapazität für die Schrift, die fehlt dann dem Inhalt.“

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