Kubicki stellt Parteichef Rösler massiv infrage

Berlin (dpa) - Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hat eine Neuausrichtung seiner Partei verlangt und damit Empörung in den Wahlkampfzentralen der Liberalen ausgelöst.

Den Parteivorsitzenden Philipp Rösler stellte Kubicki im „Stern“ massiv infrage, Nordrhein-Westfalens FDP-Chef Christian Lindner lobte er als „geborenen neuen Bundesvorsitzenden“. Für die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 verlangte Kubicki die Öffnung für eine sozialliberale Koalition oder ein Ampelbündnis, er selbst erwägt einen Wechsel nach Berlin.

In Niedersachsen, wo die FDP im Januar eine Landtagswahl zu bestehen hat, aber auch in der Berliner Parteizentrale stieß der Vorstoß auf teils scharfe Kritik. Rösler sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag), er sehe derzeit keine Grundlage für ein Bündnis mit SPD und Grünen. Kubicki selbst wollte seine Äußerungen am Mittwoch nicht als Kampfansage an den Parteichef verstanden wissen: „Die Frage nach einer Ablösung Philipp Röslers stellt sich nicht“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Lindner äußerte sich nicht.

Das „Stern“-Interview wurde just zu dem Zeitpunkt veröffentlicht, als Rösler in seiner Funktion als Vizekanzler die Sitzung des Bundeskabinetts leitete. Er steht intern seit längerem in der Kritik. Nach dem jüngsten ARD-„Deutschlandtrend“ hat die FDP zwar zuletzt einen Punkt hinzugewonnen und kommt nunmehr auf fünf Prozent, Rösler liegt aber weiter auf dem letzten Platz der Politiker-Hitliste.

Als entscheidende Wegmarke nannte Kubicki im „Stern“ die Landtagswahl in Niedersachsen. Falls die FDP dort scheitere, müsse „etwas passieren“. In diesem Fall bräuchten die Liberalen mehr als einen neuen Bundesvorsitzenden: „Dann brauchen wir vor allem eine neue politische Ausrichtung.“

Er habe Verständnis dafür, dass Lindner seine Aufgabe nun in Nordrhein-Westfalen sehe. Aber: „Wenn wir zu einem Punkt kommen, dass die Bundestagswahl unter der jetzigen Führung nicht zu gewinnen sein wird und es wirklich darauf ankommt, die letzten Frauen und Männer an Bord zu holen, dann werde ich Christian Lindner raten, seine Entscheidung zu überdenken.“ Er selbst erwäge, als Spitzenkandidat der Landespartei bei der Bundestagswahl anzutreten, um - wie schon 1990 und 2002 - wieder in den Bundestag zu wechseln.

Die derzeitige „Fixierung“ der FDP auf die Union nannte Kubicki einen „dramatischen Fehler“. Er machte erneut klar, dass er sich nach der Bundestagswahl eine sozial-liberale Koalition vorstellen könne. Die FDP müsse aber auch über eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen nachdenken. „Mit Peer Steinbrück als Kanzler könnte ich mir ein Ampelbündnis sofort vorstellen.“ Ähnlich hatte er sich auch schon früher geäußert.

Bei den FDP-Wahlkämpfern lösten die Äußerungen Empörung aus. „Was die FDP jetzt braucht, ist Geschlossenheit und nicht die ständigen Störfeuer eines politischen Pyromanen aus dem Norden“, sagte Niedersachsens Landeschef Stefan Birkner der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Der Nachrichtenagentur dpa sagte er: „Das ist völlig kontraproduktiv.“ Generalsekretär Patrick Döring kritisierte, es nütze niemandem, wenn Kubicki jetzt seinem Spieltrieb nachgebe.

Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn erklärte: „Ampel-Geschwampel hilft der FDP nicht.“ Die stellvertretende Parteivorsitzende Birgit Homburger sagte der Ulmer „Südwest Presse“: „Diese ständige Selbstinszenierung schadet der Partei ebenso wie die permanente Anbiederung an SPD und Grüne.“ JuLi-Chef Lasse Becker warf der FDP-Spitze dagegen mangelndes Profil vor. „Für dieses Defizit trägt die gesamte Parteiführung, naturgemäß vor allem der Bundesvorsitzende, die Verantwortung“, sagte er dem „Handelsblatt“.

In Teilen der SPD stießen Kubickis Ampel-Überlegungen auf Zustimmung. „Wir wollen Rot-Grün, sollte es dafür aber nicht reichen, muss man sich eine neue Option überlegen“, sagte Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises, der „Welt“. „Ein Bündnis mit Grünen und FDP ist in jedem Fall besser als eine große Koalition, in der wir nur Juniorpartner sind.“

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