Lammerts Nein zum NPD-Verbot verärgert Abgeordnete

Berlin (dpa) - Das prompte Nein von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu einem NPD-Verbotsverfahren stößt bei Abgeordneten auf wenig Begeisterung. Lammert lehnte eine Beteiligung des Parlaments am Freitag ab, obwohl die Beratungen im Bundestag nicht einmal begonnen haben.

Abgeordnete von SPD und Linken kritisierten das als unangebracht. Den Ländern fehlt es bei ihrem Vorstoß an Mitstreitern. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Donnerstag angekündigt, die Bundesregierung werde erst bis März 2013 entscheiden, ob sie das Verfahren mitträgt. Notfalls wollen die Länder alleine gegen die rechtsextreme Partei vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Die Ministerpräsidenten hatten sich am Donnerstag in Berlin geschlossen für einen neuen Verbotsantrag ausgesprochen. Der offizielle Beschluss soll kommenden Freitag im Bundesrat folgen. Formal genügt der Antrag eines einzigen Verfassungsorgans - also von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung. Die Länder wünschen sich aber einen gemeinsamen Vorstoß.

Lammert machte ihnen wenig Hoffnung darauf. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ äußerte er Zweifel, ob die von den Länderinnenministern vorgelegte Materialsammlung mit belastenden Belegen gegen die NPD für ein Verbot ausreicht. Auch die juristischen Begründungen leuchteten ihm nicht ein: „Man soll es besser bleiben lassen“, riet er. Das Risiko, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot der NPD wieder aufhebe, sei groß.

Der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Neonazi-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy, mahnte, die Parlamentarier müssten die Materialsammlung erst selbst prüfen. Dann könnten sie entscheiden, ob auch der Bundestag einen Verbotsantrag stellen sollte. „Es ist nicht die Aufgabe des Bundestagspräsidenten, das Ergebnis dieser Prüfung gleichsam vorwegzunehmen“, rügte er in der „Passauer Neuen Presse“.

Die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke nannte Lammerts Äußerung „alles andere als hilfreich“. Der Beschluss der Länder werde auf diese Weise zerredet. „Es wäre jetzt besser, allen Abgeordneten des Bundestages die Zeit zu geben, sich das Material anzusehen.“

Die Positionierung des Bundestages spielt - ebenso wie das ausstehende Votum des Bundesrats - für die Bundesregierung eine Rolle bei ihren eigenen Überlegungen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, natürlich fließe die Frage ein, wie sich die drei Verfassungsorgane untereinander verhielten.

Merkel hatte am Donnerstag auf rechtliche Risiken verwiesen und betont, die Meinungsbildung der Bundesregierung dazu sei noch nicht abgeschlossen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte Regierung und Bundestag davor, sich durch den Länderbeschluss für einen NPD-Verbotsantrag unter Zugzwang zu sehen. „Es gibt natürlich keine Automatik, dass wenn ein Verfassungsorgan sagt "Wir stellen den Antrag", alle anderen automatisch mit müssen“, sagte der Ressortchef im Deutschlandfunk. „Es ist eine souveräne Entscheidung, in der jedes Verfassungsorgan - Bundestag und Bundesrat - abwägen muss.“ Und: „Ob vor Gericht einer klagt oder fünf, ist für die Frage eines Erfolgs vor Gericht nicht ausschlaggebend.“

2003 war ein erster Anlauf vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leute) bis in die Führungsebenen der NPD eingesetzt waren.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte angesichts des damaligen Debakels ebenfalls große Skepsis gegenüber einem neuen Versuch geäußert.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) reagierte mit Unverständnis auf die zögerliche Haltung der Regierung, vor allem von Merkel. „Das ist nicht nachvollziehbar“, sagte Jäger zum Abschluss der Innenministerkonferenz in Rostock-Warnemünde. Die Länder hätten die Bundesregierung stets über den Fortgang der Vorbereitungen informiert, das Kabinett müsse nun schnell entscheiden. Ein gemeinsamer Antrag aller drei Verfassungsorgane sei ein wichtiges Signal. „Im Moment geben wir da kein gutes Bild ab“, beklagte Jäger.

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