„Landarztgesetz“ lockt junge Mediziner mit mehr Geld

Berlin (dpa) - Landärzte sollen nicht mehr nur im Heimatfilm vorkommen. Ein neues Gesetz soll helfen, dass es auch in ländlichen Regionen genügend Mediziner gibt. Eine bessere Honorierung könnte den Anreiz liefern.

Für junge Mediziner sind bisher vor allem Ballungszentren lukrativ.

Der als „Landarztgesetz“ bezeichneten Neuregelung mit einem Bündel von Maßnahmen stimmten am Donnerstag die Fraktionen von Union und FDP zu. Die Opposition votierte geschlossen dagegen und kritisierte das Gesetz als unzureichend. Es bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Dieser wird sich am 16. Dezember damit befassen. Wesentliche Teile des Versorgungsgesetzes sollen zum Jahresbeginn 2012 in Kraft treten.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind derzeit zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen rund 3500 Arztsitze vakant. Bis 2020 hören allein knapp 24 000 Hausärzte auf.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) warb für das Ziel einer wohnortnahen Gesundheitsversorgung. „Es ist ein gutes Gesetz. Wir sorgen dafür, dass die Menschen den Landarzt nicht nur aus einer idyllischen Vorabendserie kennen“, sagte er. Das Problem lasse sich nur mit den Ärzten und nicht gegen sie lösen. Mit dem Gesetz erhalte jeder auch in Zukunft die notwendige medizinische Behandlung - bei freier Arzt- und Krankenhauswahl. In anderen Ländern gebe es dagegen „Mangelverwaltung“.

Das Gesetz sieht finanzielle Anreize für Mediziner in unterversorgten Gebieten vor. Hauptsächlich auf dem flachen Land finden viele Haus- und Fachärzte, die altersbedingt aufhören, keine Nachfolger. Für Landärzte wurde deshalb die Residenzpflicht aufgehoben: Sie müssen ihre Praxis nicht länger am Wohnort betreiben.

Ambulante und stationäre Behandlung sollen in Medizinischen Versorgungszentren besser miteinander verzahnt werden. In Mangel-Gebieten können Ärzte von Reha- und Pflegeeinrichtungen künftig Patienten auch von außerhalb behandeln. Gemeinden haben zudem die Möglichkeit, Arztpraxen in Eigenregie zu betreiben. Bei Bedarf soll es auch „rollende Arztpraxen“ geben.

Gegen die ärztliche Unterversorgung hat Minister Bahr insgesamt 320 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich eingeplant: 200 Millionen für die Landärzte, 120 Millionen Euro für die Zahnärzte. Auf Druck von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dürfen die Mehrkosten aber nicht den Bundeshaushalt belasten.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf der Koalition vor, das Gesetz werde die Versorgungsstruktur in Deutschland nicht verbessern und den Medizinermangel nicht beheben. „Sie verschlimmern ein Problem, das wir schon haben“, sagte er. Es gehe der Koalition nicht um die Versorgung der Patienten, sondern um die Versorgung der niedergelassenen Ärzte. „Lobbyismus ist Ihnen wichtiger als der Wettbewerb“, sagte Lauterbach an die Adresse der FDP.

Im Lager der Krankenkassen war von „Licht und Schatten“ die Rede: KKH-Allianz-Vorstandschef Ingo Kailuweit kritisierte, die Politik rücke dem Überangebot an Ärzten in den Zentren „nur halbherzig zu Leibe“. Wer unterversorgten Regionen mehr Geld zukommen lassen wolle, müsse in den überversorgten Gebieten einsparen.

Bei den Ärzten fand das Gesetz ein positives Echo: KBV-Chef Andreas Köhler lobte, damit verlasse die Politik „endlich den Weg der Kostendämpfung im Gesundheitswesen“. Damit kämen aber „nicht automatisch auf die Schnelle neue Ärzte aufs Land“. Erleichtert zeigte sich die Bundespsychotherapeutenkammer: Der drohende Abbau von rund 2000 psychotherapeutischen Praxissitzen bis zum Jahr 2013 sei nun abgewendet. Der Hausärzteverband sprach von „Schritten in die richtige Richtung“.

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