Merkel und Kohl: Eine heikle Beziehung

Alt-Kanzler Kohl hat die Wunden nicht vergessen, die ihm Angela Merkel einst geschlagen hat.

Berlin. Es ist kein Geheimnis, Helmut Kohl und Angela Merkel können nicht miteinander. Das gilt nicht erst seit der jetzt vom Altkanzler geäußerten Kritik, dass Deutschland „keine berechenbare Größe“ mehr sei. Eine Kritik, der sich gestern auch Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) anschloss, als er sagte: „Man muss sich auf die Deutschen verlassen können, da hat der Helmut Kohl vollständig recht.“

Da hatte Merkel aber schon die Kritik ihres einstigen Ziehvaters Kohl gekontert. Kühl sagte sie nur: „Jede Zeit hat ihre spezifischen Herausforderungen.“

Die Gründe für das schlechte Verhältnis Merkels zu Kohl sind vielschichtig. Einer davon: Die Rolle der damaligen CDU-Generalsekretärin bei der Abdankung des heute 81-Jährigen aus allen CDU-Ämtern. Kohl hatte sich geweigert, die Spendernamen zu benennen, die in der CDU-Finanzaffäre eine Rolle gespielt haben. Merkel hatte in einem Aufsatz für die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 22. Dezember 1999 geurteilt, Kohl habe der Partei „Schaden zugefügt“. Der Alt-Kanzler zog sich aus allen Ämtern zurück und beklagte sich anschließend gegenüber Besuchern über „diese Ostdeutsche“.

In den letzten Jahren versuchte die Kanzlerin, Normalität in der Beziehung herzustellen. Sie besuchte Kohl ab und zu, was symbolischen Charakter hatte: Das Bundespresseamt legte stets Wert auf einen Fotografen, der die beiden im heimischen Garten in Oggersheim ablichtete. Gelegentlich besuchte Kohl Berlin, ohne aber auf Termine im Kanzleramt Wert zu legen.

Es soll angeblich auch Verstimmungen zwischen Merkel und Kohl gegeben haben, die sich um einen Flug des Rollstuhlfahrers in einer Maschine der Regierung zu einer Einheits-Jubiläumsfeier in Berlin drehten.

Dass nun ein Ex-Regierungschef seine Nachfolgerin derart angeht, ist in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartig. Kohls Satz „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen“ ist eine genau kalkulierte Aussage.

Nun ist die Ära Kohl für die Unions-Fraktionsmitglieder lange vorbei. Schließlich liegen sieben Jahre Kanzlerschaft Gerhard Schröders und sechs Jahre Merkel dazwischen. Insoweit ging man in der Union gestern schnell zur Tagesordnung über. Dass die Situation um den Euro dramatisch ist, belegt ein Randaspekt: Wegen des dichten Beratungskalenders zum erweiterten Rettungsfonds und zur Griechenland-Hilfe sagte die Kanzlerin eine für September geplante Reise nach Russland ab.

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