Nahles will Frühverrentungswelle bei Rente ab 63 verhindern

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will verhindern, dass die Rente ab 63 für langjährig Versicherte für eine neue Frühverrentungswelle missbraucht wird. Das Problem stellt sich, weil auch Zeiten von Kurzzeitarbeitslosigkeit für die Neuregelung anerkannt werden sollen.

Nahles will Frühverrentungswelle bei Rente ab 63 verhindern
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Damit wäre schon für 61-Jährige der Weg in die abschlagfreie Rente frei, wenn sie die letzten beiden Jahre Arbeitslosengeld I beziehen.

Um dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben, soll im parlamentarischen Verfahren geprüft werden, „ob und wie eine Frühverrentung durch eine verfassungskonforme Regelung verhindert werden kann“. Das geht aus dem Begleitschreiben zum Gesetzentwurf hervor, der an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll.

Die Rente ab 63 bedeute - heißt es in der Entwurfs-Begründung ausdrücklich - „keine Rückkehr zur Frühverrentungspolitik der achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts“. Diese Sorge war in Kreisen der Union und der Wirtschaft laut geworden, verbunden mit der Forderung, Arbeitslosigkeit vor der Rente aus der Regelung auszunehmen. Ohnehin dürften viele Firmen wegen des Fachkräftemangels derzeit wenig Interesse haben, sich vorzeitig von gut ausgebildeten Mitarbeitern zu trennen.

Ein Problem ist auch, dass die Rentenversicherung Zeiten von Kurzzeit- und Langzeitarbeitslosigkeit in früheren Jahren wegen einer Datenlücke nicht auseinanderhalten kann. Als Lösung denkbar wäre, dass Betroffene länger zurückliegende Kurzzeitarbeitslosigkeit durch eine eidesstattliche Erklärung nachweisen.

Die abschlagfreie Rente ab 63 nach 45 Versicherungsjahren ist Teil des großen schwarz-roten Rentenpakets, zu dem auch die Verbesserung der Mütterrente und die Aufstockung der Renten für Erwerbsgeminderte gehört. Die Gesamtkosten für die Leistungsverbesserungen belaufen sich auf jährlich neun bis elf Milliarden Euro. Die sollen zunächst aus der gut gefüllten Rentenkasse bezahlt werden.

Wegen psychischer Erkrankungen werden immer häufiger Arbeitnehmer zu Frührentnern. Die Zahl der Betroffenen stieg innerhalb von zehn Jahren um rund 25 000 auf 75 000 im Jahr 2012. Im Schnitt sind die Menschen dann erst 49 Jahre alt, wie die Psychotherapeutenkammer unter Berufung auf die Rentenversicherung mitteilte.

„Psychisch kranke Frührentner werden praktisch abgeschrieben“, kritisierte Kammerpräsident Rainer Richter. Dabei könnte vielen Kranken mit besserer Behandlung oder mehr Rehabilitation geholfen werden. Arbeit sei nicht nur belastend, sondern könne Betroffene auch stabilisieren, wenn die Leiden angemessen behandelt werden. In Deutschland bekomme nur jeder dritte psychisch Kranke eine Therapie.

Mit den geburtenstarken Jahrgängen erreichen bis 2029 rund 20 Millionen Menschen das Rentenalter. Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellen sich den Übergang in Ruhestand aber sehr unterschiedlich vor. Von den 45- bis 60-Jährigen wollen einer Umfrage zufolge nur 28 Prozent bis zum gesetzlichen Rentenalter voll erwerbstätig bleiben. Die Arbeitgeber gehen davon aus, dass 61 Prozent ihrer Mitarbeiter bis zum Schluss ganztags arbeiten, wie die in Frankfurt vorgestellte GfK-Umfrage „Arbeit und Alter“ ergab.

Gut jeder vierte (26 Prozent) Befragte will vor der Rente nur noch Teilzeit arbeiten, und etwa jeder Dritte (34 Prozent) zwar weiter voll arbeiten, aber vorzeitig in Rente gehen. Acht Prozent möchten dagegen auch nach dem gesetzlichen Renteneintrittsalter noch ganz oder in Teilzeit arbeiten. Drei Prozent streben eine reduzierte Erwerbstätigkeit vor und nach Beginn ihrer Rente an.

Angebote der Unternehmen für einen flexibleren Übergang vom Job in Rente seien aber noch Mangelware, kritisierte der Geschäftsführer der Initiative Beruf und Familie, Stefan Becker. „Viele Angebote der Arbeitgeber treffen gar nicht den Bedarf der Mitarbeiter.“

„Zwei Drittel der Arbeitgeber bieten keine Maßnahmen an, um die Erwerbstätigkeitsphase älterer Beschäftiger zu verlängern“, sagte Becker. Und nur 15 Prozent planten dies künftig zu tun. Am größten sei das Interesse (75 Prozent) an flexibleren Arbeitszeitmodellen.

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