Pokern mit dem Bundesrat

Die Opposition frohlockt, künftig Gesetze in der Länderkammer stoppen zu können.

Berlin. Der knappe Wahlsieg in Niedersachsen gibt Rot-Grün auch im Bundesrat ein stärkeres Gewicht. Zum ersten Mal seit rund eineinhalb Jahrzehnten verfügt das linke Lager einschließlich des von SPD und Linken regierten Brandenburgs wieder über eine eigene Mehrheit in der Länderkammer. Doch was ändert sich damit jetzt — und was nicht?

Einen Angriffspunkt hat SPD-Chef Sigmar Gabriel am Dienstag noch einmal bekräftigt: die Abschaffung des Betreuungsgeldes und damit den Stopp jenes umstrittenen Gesetzes, das Müttern ab August 100, später 150 Euro monatlich garantiert, wenn sie ihre Kleinkinder nicht in eine Kita geben. Bereits am Abend zuvor hatte Gabriel im Fernsehen erklärt: „Wir werden alles unternehmen, um dieses unsinnige Betreuungsgeld zu verhindern.“

Hinter dieser Ankündigung steckt jedoch mehr Propaganda als Substanz. Das entsprechende Gesetz wurde schon am 9. November im Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat ließ es am 14. Dezember passieren.

Denn die damals von Rot-Grün angestrebte Runde im Vermittlungsausschuss kam mangels Mehrheit nicht zustande. Damit ist das Gesetz verabschiedet. Nur hat sich das bei SPD und Grünen noch nicht herumgesprochen.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, schürte am Dienstag falsche Erwartungen, indem er einen Zusammenhang zwischen der Vorlage und den neuen Machtverhältnissen in Hannover herstellte.

Beck wähnte das Gesetz in peinlicher Unkenntnis der Lage „auf dem Weg“. Gut möglich, und das hatte Beck zu Recht angeführt, wäre aber eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des bestehenden Gesetzes, die das linke Lager mit seinen nunmehr 36 von 69 Stimmen in der Länderkammer durchsetzen kann.

Anschließend müsste die Bundesregierung dazu eine Stellungnahme abgeben. Danach käme die Vorlage in den Bundestag. Dort haben jedoch Union und FDP weiter eine klare Mehrheit, weshalb sie die Vorlage stoppen können.

Für eine Befassung mit Initiativen der Länderkammer sind dem Bundestag allerdings keine konkreten Fristen vorgegeben, so dass theoretisch auch zeitlich unbegrenzte Verzögerungen möglich wären. Nach diesem Muster könnte Schwarz-Gelb noch weitere Vorlagen „entschärfen“.

Den vielbeschworenen Gestaltungsmöglichkeiten von Rot-Grün sind auch nach der Niedersachsen-Wahl enge Grenzen gesetzt. Das räumte auch SPD-Chef Gabriel indirekt ein: „Viel wichtiger als jetzt“ sei das gute Abschneiden in Hannover für die Zeit nach einer gewonnenen Bundestagswahl.

Denn nur bei identischen Machtverhältnissen in Bundestag und Bundesrat könne die SPD Vorhaben wie die doppelte Staatsbürgerschaft oder die Wiedereinführung der Vermögensteuer durchsetzen.

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