Präsident der Rentenversicherung: „Niedriglohnbereich nicht weiter ausufern lassen“

Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung, sieht die angedachte Aufstockung von Mini-Renten mit Skepsis.

Düsseldorf. Der Chef der Rentenversicherung, Herbert Rische, sieht die Pläne von Regierung und Opposition zur Aufstockung von Mini-Renten mit Skepsis. Das Rentensystem könne kein Rettungsanker für den Niedriglohnsektor sein, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Rische, Betriebsrenten und Lebensversicherungen drohen schmaler auszufallen als kalkuliert. Ist das auch bei der gesetzlichen Rente zu befürchten?

Herbert Rische: Das Problem der kapitalgedeckten Anlagen ist für die gesetzliche Rente kein Thema. Denn sie ist in erster Linie beitragsfinanziert. Die Finanzkrise wird nur dann zum Problem, wenn sie die Realwirtschaft erreicht, also Arbeitsplätze in Gefahr geraten oder die Löhne sinken. Das hätte auch negative Folgen für die Rente.

Ihr Verband prognostiziert in den alten Ländern aber eine magere Rentenerhöhung. Zugleich sinkt der Beitrag. Wie können Sie das einem Rentner erklären?

Rische: Ich würde ihm sagen, dass die Beitragsenkung zunächst gar nichts mit der Rentenanpassung zu tun hat. Der Beitrag ist laut Gesetz dann abzusenken, wenn die Rücklagen der Rentenkasse eineinhalb Monatsausgeben überschreiten. Genau dies jetzt ist der Fall. Allerdings: Wenn der Beitrag sinkt, dann wirkt sich das zeitverzögert positiv auf die Rentenanpassung aus.

Nun macht sich die Opposition für eine höhere Rücklage in der Rentenkasse stark. Ist das sinnvoll?

Rische: Die Rücklage pauschal zu erhöhen, wäre nicht sinnvoll. Angesichts des milliardenschweren Finanzpolsters erleben wir ja gerade eine politische Diskussion, was man alles damit tun könnte. Wenn die Politik zur der Auffassung kommt, die Leistungen der Rentenversicherung auszubauen, dann wäre eine Beitragsanhebung die logische Konsequenz.

Wäre die nicht notwendig angesichts absehbarer Altersarmut?

Rische: Es gibt nicht die Altersarmut. Wer sich damit beschäftigt, der wird schnell erkennen, dass es sich dabei um ganz bestimmte Personengruppen handelt. Viele Erwerbsminderungsrenten liegen schon heute unter der Armutsgrenze. Oder nehmen Sie die Solo-Selbstständigen, die nicht versichert sind. Hier muss man überlegen, ob wir es uns als einziges Land in Europa noch leisten können, diese Leute nicht zur Vorsorge zu verpflichten.

Eine weitere sehr große Gruppe sind die Niedriglöhner . . .

Rische: Richtig. Wer diesen Sektor ausweitet, der muss allerdings auch akzeptieren, dass ein lohnbezogenes Rentensystem dagegen machtlos ist.

Genau deshalb wollen Union, aber auch die SPD Mini-Renten so weit aufstocken. Ein richtiger Ansatz?

Rische: Es kann nicht in erster Linie darum gehen, in der Rentenversicherung einen Rettungsanker für den Niedriglohnsektor auszuwerfen. Die Priorität muss sein, den Niedriglohnbereich nicht noch weiter ausufern zu lassen. Nur wer bei der Erwerbsarmut ansetzt, der vermeidet auch Altersarmut.

Das wird aber kaum in allen Fällen gelingen . . .

Rische: Gerade für diese Fälle gibt es ja auch die steuerfinanzierte Grundsicherung. Mir ist unverständlich, warum die des Teufels sein soll. Sicher gibt es ein berechtigtes Unbehagen davor, sich quasi finanziell auszuziehen, um sie zu bekommen. Doch was ist gewonnen, wenn man diese Praxis in die Rentenversicherung überträgt? Der Weisheit letzter Schluss ist das nicht.

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