Regierung: Orientierungswechsel in der Pflege

Berlin (dpa) - Nach mehr als einem Jahr Vorbereitung will die Bundesregierung ihre Pflegereform beschließen und damit den Startschuss für eine grundlegende Neuausrichtung geben.

Nötig sei ein „Orientierungswechsel, was unter Pflege zu verstehen ist“, heißt es im Entwurf für das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz. Das Kabinett will diesen Entwurf aus dem Ressort von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Mittwoch passieren lassen.

Der Beitrag soll dafür zum 1. Januar 2013 von 1,95 auf 2,05 Prozent steigen. Dies soll 2013 rund 1,14 Milliarden Euro bringen und in den Jahren darauf 1,18 und 1,22 Milliarden. Das meiste zusätzliche Geld soll in höhere Leistungen vor allem für Demenzkranke fließen. Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung, die von Angehörigen zu Hause betreut werden und in keiner Pflegestufe sind, sollen statt heute 100 Euro im Monat (bei besonderem Bedarf 200) künftig 220 (beziehungsweise 320) Euro bekommen. Werden sie von einem Pflegedienst betreut, sollen es 325 beziehungsweise 425 Euro sein. Auch in Pflegestufe 1 und 2 soll es mehr geben.

Auch sollen Pflege-Wohngemeinschaften gefördert und die Leistungen flexibler gehandhabt werden. Zudem soll die Begutachtung von Pflegefällen reibungsloser laufen.

Pflegeverbände hatten die Reform als völlig unzureichend kritisiert. Mit dem Gesetz soll der weitere Reformkurs als Ziel festgeschrieben werden. Neu definiert werden müsse, wer als pflegebedürftig anzusehen sei. Geklärt werden müsse, welche Hilfen Demenzkranke bräuchten. „Mit diesem Gesetz wird dieser Orientierungswechsel eingeleitet; die Umsetzung wird einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen“, heißt es in dem Entwurf.

Der Entwurf beschreibt die Lage nicht anders als dies auch die Kritiker der Koalition aus der Pflegebranche tun: Die Zahl von 2,4 Millionen Pflegebedürftigen wird laut zitierten Prognosen in wenigen Jahrzehnten auf über 4 Millionen steigen. „Gleichzeitig sinkt die Bevölkerungszahl insgesamt, so dass der prozentuale Anteil der pflegebedürftigen Menschen noch schneller ansteigen wird.“ Viele Bedürftige seien an Demenz erkrankt. „Auch ihre Zahl wird deutlich ansteigen.“ Neben Grundpflege sei hier Betreuung zentral. Bei Einführung der Pflegeversicherung 1995 habe es Demenz noch nicht so oft gegeben - deshalb seien keine darauf zugeschnittenen Hilfen eingeführt worden. Heute erhalten viele der rund 1,2 Millionen Altersverwirrten keine oder nur wenig Hilfe.

Bahr lässt derzeit in einem Expertenbeirat eine grundsätzlich neue Einstufung der Menschen in die Pflegeversicherung ausarbeiten. Das Vorhaben soll aber nach bisherigen Aussagen nicht mehr in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.

Experten und Opposition verlangten mehr Tempo. Regierungsberater legten bereits Anfang 2009 erste Vorschläge vor. Eine umfassende Besserstellung von Demenzkranken könnte demnach einige Milliarden Euro mehr kosten.

Der Gesetzentwurf betont, dass die Umlagefinanzierung durch eine steuerlich geförderte, freiwillige, kapitalgedeckte Pflege-Vorsorge ergänzt werde. „Das bedarf noch einer gesetzlichen Regelung.“ Wie die Förderung konkret aussehen soll, war zwischen Bahr und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zuletzt umstritten.

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