Rösler gewinnt den Machtpoker

Der FDP-Chef stellt überraschend sein Amt zur Verfügung und bringt damit Fraktionschef Brüderle unter Zugzwang.

Berlin. Wer nach dem Überraschungserfolg von Niedersachsen erwartet hatte, der Führungsstreit in der FDP werde sich beruhigen, sah sich am Montag getäuscht. Mit Feiern hielt sich das Parteipräsidium in Berlin nicht lange auf, schon nach wenigen Minuten war man wieder mitten im Machtkampf. Parteichef Philipp Rösler forderte Fraktionschef Rainer Brüderle offen heraus. Und verlangte von ihm, entweder alle Ämter zu übernehmen oder sich in ein Team einzufügen. Rösler gewann die Pokerpartie.

Nichts hatte am Sonntagabend, als die FDP in Niedersachsen überraschend 9,9 Prozent erzielte, auf diese Entwicklung hingedeutet. Im Gegenteil: Rösler und Brüderle einigten sich in einem Vieraugengespräch in der Berliner Parteizentrale einvernehmlich auf eine Machtteilung, die am nächsten Tag in den Führungsgremien beschlossen werden sollte. Rösler wollte Parteichef bleiben, Brüderle sollte zum Spitzenkandidaten ausgerufen und der Parteitag dazu, wie von Brüderle verlangt, von Mai auf Mitte März vorgezogen werden. Doch am Montag in der Präsidiumssitzung sagte Rösler plötzlich, wenn Brüderle beide Ämter anstrebe, neben der Spitzenkandidatur auch den Parteivorsitz, dann solle er es jetzt sagen. Er sei dann bereit, beiseite zu treten.

Rösler stellte damit praktisch die Machtfrage. Aus Röslers Umfeld wurde das damit begründet, dass beim Vorsitzenden „Unklarheiten“ über Brüderles wahre Absichten bestanden hätten. Worin diese bestanden, wurde nicht erläutert. Brüderles Anhänger sprachen hingegen von einem „generalstabsmäßigen Vorgehen“ Röslers und verwiesen darauf, dass der Vorstoß aus der geschlossenen Sitzung heraus praktisch zeitgleich an die Medien gelangte.

Brüderle, der Rösler schon am Vorabend erklärt hatte, dass er nicht Parteichef werden wolle, fühlte sich überrumpelt, zumal Rösler nur das undankbare Amt des Parteivorsitzenden abgeben wollte, nicht aber auch das des Wirtschaftsministers und Vizekanzlers. Der Fraktionschef lenkte nach einem erneuten Vieraugengespräch ein. Da half auch nicht, dass Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel sich ebenso wie zwei andere Teilnehmer im Präsidium für einen Wechsel im Vorsitz aussprach. Absehbar gewesen war diese Zuspitzung am Sonntagabend nicht. Selbst Rösler-Kritiker wie Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatten nach dem überraschend guten Abschneiden bei der Niedersachsen-Wahl erklärt: „Philipp Rösler wackelt nicht.“

Nach einer langen Aussprache im Bundesvorstand präsentierten sich Brüderle und Rösler dann der Presse als neues Spitzenduo. Die künftige Rollenverteilung beschrieb Brüderle so: „Philipp Rösler ist als Parteivorsitzender der Kapitän. Die Sturmspitze bin ich.“

Der 67-jährige Fraktionschef soll, da es offiziell keinen FDP-Spitzenkandidaten gibt, als „Spitzenmann“ und „unser Gesicht im Wahlkampf“ (Rösler) eine herausragende Rolle in der FDP-Kampagne spielen und zum Beispiel in Fernsehdiskussionen auftreten. Der 39-jährige Rösler wiederum kann nun mit seiner Wiederwahl als Parteichef für zwei weitere Jahre rechnen.

In der FDP hofft man jetzt, dass die Führungsdebatten bis zur Bundestagswahl beendet sind. Denn derzeit gibt es niemanden mehr, der Rösler als Parteichef infrage stellt, zumal der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner, der als potenzieller Rösler-Nachfolger gilt, seine Zustimmung zu der Lösung erklärte.

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