Rösler ruft FDP zum Aufstehen und Kämpfen auf

Frankfurt/Main (dpa) - Nach einer Serie von Wahlniederlagen will die FDP mit einer schärferen Abgrenzung auch vom Koalitionspartner Union den Wiederaufstieg schaffen. FDP-Chef Philipp Rösler rief zum Abschluss des zweitägigen Sonderparteitags die Basis zum Kampf für liberale Positionen auf.

„Stehen wir auf, gehen wir raus und kämpfen wir für die Kollegen in Schleswig-Holstein“, appellierte der Vizekanzler an die 660 Delegierten. Im Norden steht im Mai die nächste Landtagswahl an.

Die FDP werde sich nicht weiter demütigen lassen, sagte Rösler offensichtlich mit Blick auf den Koalitionspartner. Einem flächendeckenden, allgemeinen Mindestlohn, wie ihn die CDU debattiert, erteilte er eine Absage: „Wenn alle anderen nach links rücken, bleibt eine Partei in der Mitte - die Freien Demokraten.“

Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl in Kiel blieb die FDP auf dem außerordentlichen Parteitag jedoch konkrete neue Konzepte für Wege aus der Krise schuldig. Generalsekretär Christian Lindner rief die Partei auf, den „Rücken geradezumachen für liberale Positionen“.

Die FDP müsse sich gleichermaßen für die wirtschaftliche, gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit einsetzen. Es gehe um ein Dreieck aus neuer Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft, aus Rechtsstaatlichkeit und aus dem Einsatz für eine offene Gesellschaft. „Wir lassen die Bürger in Ruhe, aber nicht im Stich.“

Lindner warnte die Parteibasis davor, sich dem laufenden Mitgliederentscheid der Euro-Skeptiker um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM anzuschließen. Ein Nein zum ESM führe dazu, dass die FDP bei der künftigen Architektur Europas keine Gestaltungsrolle mehr spiele.

Die erste große Parteitagsrede Röslers seit Mai war mit Spannung erwartet worden. Damals hatte er die Hoffnungen der angeschlagenen Freidemokraten mit dem Versprechen hochgeschraubt: „Ab heute wird geliefert.“ Die FDP liegt in Umfragen aber weiter nur bei drei bis vier Prozent. Bis zur Kieler Wahl soll die Trendwende geschafft sein.

Zum Auftakt am Samstag hatte Rösler die Partei zu Selbstbewusstsein aufgerufen. „Schluss mit der Trauer. Schluss mit den Tränen: Es ist Zeit, die Taschentücher wegzustecken.“ In seiner einstündigen, wie immer frei vorgetragenen Grundsatzrede, blieb er aber bei den bisherigen Positionen zu Mindestlohn, Euro-Rettung und zur Sozialen Marktwirtschaft.

Mit Blick auf die Halbjahresbilanz der neuen jungen Parteiführung räumte er ein, dass 2011 für die FDP kein Erfolgsjahr gewesen sei. Wenn man zu Boden gehe und liegen bleibe, dann werde man ausgezählt. Aber: „Wir bleiben niemals liegen, wir stehen auf (...) - jetzt erst recht“, sagte Rösler, dem die Delegierten stehend vier Minuten Beifall spendeten - nicht halb so viel wie bei seiner Wahl im Mai.

Eine ursprünglich geplante Parteitags-Abstimmung zum Mindestlohn wurde aus Zeitgründen abgesetzt. Der Antrag wurde ebenso wie der zum umstrittenen Betreuungsgeld an den Vorstand überwiesen.

Eine empfindliche Niederlage musste die Parteispitze bei ihrem Vorstoß zur Reform in der Bildungspolitik hinnehmen. Trotz mehrfacher Appelle Lindners lehnte eine knappe Mehrheit des Parteitages den Antrag des Vorstands ab, das Verbot der Bund-Länder-Kooperation bei der Bildungsfinanzierung komplett zu kippen.

Nach dem Willen der knappen Mehrheit soll sich der Bund vorerst weiter aus der Projekt-Finanzierung heraushalten. Als Alternative könnte ein Bildungsstaatsvertrag für eine gemeinsame Finanzierung angestrebt werden. Gebilligt wurde eine stärkere bundesweite Vereinheitlichung von Bildungsstandards. Damit soll etwa Familien der Umzug zwischen Bundesländern erleichtert werden.

Scharfe Kritik an Parteichef und Führung blieb in der stundenlangen Grundsatzdebatte aus, die Delegierten demonstrierten Geschlossenheit. In einem fulminanten Plädoyer für Europa richtete Außenminister Guido Westerwelle scharfe Angriffe gegen die Euro-Kritiker in den eigenen Reihen. Der im Mai geschasste Ex-FDP-Chef erntete für seinen Kurz-Auftritt minutenlangen Beifall. Er verwahrte sich gegen Vorwürfe, Bundestagsfraktion und Parteitag repräsentierten nicht den Willen der Basis: „Wer für Europa ist, ist nicht gegen die Basis.“ Das Ergebnis des Mitgliederentscheids wird am 17. Dezember erwartet.

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle blies zum Angriff vor allem auf Rot-Grün, aber nicht nur. „Es ist gut, dass wir jetzt wieder die Abteilung Attacke fahren“, rief er. „Im Zweifel für unsere Überzeugungen lieber mal eine Wahl verlieren, als den Verstand.“

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