Brauchtum Schützenbruderschaften: Weg mit den alten Zöpfen

Schützen diskutieren in einem neuen Papier den Umgang mit Homosexuellen und Andersgläubigen.

Der erste muslimische Schützenkönig in Deutschland, Mithat Gedik, hat mit seiner Ernennung viel Gegenwind bekommen. (c) dpa

Der erste muslimische Schützenkönig in Deutschland, Mithat Gedik, hat mit seiner Ernennung viel Gegenwind bekommen. (c) dpa

Foto: Jörg Taron

Leverkusen/Düsseldorf. Als im westfälischen Dorf Sönnern im Kreis Soest vor einem Jahr Mithat Gedik bei der Bruderschaft St. Georg zum ersten muslimischen Schützenkönig gekrönt wurde, reagierte der Dachverband empört. Am liebsten hätte er ihn zum Abdanken bewegt. Prompt durfte er beim Bezirksschützenfest im Nachbardorf nicht auf den Vogel schießen. Nach bundesweiten Protesten und einer Welle der Solidarität blieb er immerhin Schützenkönig.

Jetzt aber gibt es einen neuen Bundesschützenmeister, Emil Vogt aus Leverkusen. Der stellt klar: „Wir Schützen dürfen nicht päpstlicher als der Papst sein.“ Gestern stellte er ein Thesenpapier ins Netz. Nachdem die katholische Kirche vor einigen Monaten das kirchliche Beschäftigungsrecht geändert hat und seit 1. August auch Menschen beschäftigen will, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft haben oder geschieden und wiederverheiratet sind, können die historischen Bruderschaften, die von der katholischen Kirche unterstützt werden, nicht hinterherhinken.

1300 Brudermeister erhalten jetzt mitten in der Schützenfest-Hochsaison Post vom Dachverband. Darin nennt der Bundesschützenmeister nicht nur mehrere Vorschläge, sondern versieht sie sogleich mit Kommentaren. Er sagt: „Die sexuelle Orientierung eines Menschen gehört zu seiner Persönlichkeit und Identität. Sie ist für die Aufnahme in eine Bruderschaft unerheblich. Homosexuelle Schützenbrüder und Schützenschwestern haben daher selbstverständlich alle Mitgliedsrecht

e und Mitgliedspflichten, einschließlich der Möglichkeit, die Königswürde zu erringen.“ Olaf Schmitz, Brudermeister der St. Georg-Schützen in Werl-Sönnern, freut sich: „Wir wollen vor Ort mit allen Menschen unser Schützenfest feiern, egal, ob muslimisch, christlich oder geschieden.“ Ein Schützenverein sei eben ein Abbild der Gesellschaft.

Der Düsseldorfer Dechant Michael Dederichs, Präses der linksrheinischen Schützenvereine, findet den Schritt überfällig. Er sag: „Wir müssen in der Kirche und im Schützenwesen die Lebenswirklichkeit der Menschen im Blick haben und müssen uns entsprechend öffnen. Wir sollen Respekt haben vor unterschiedlichen Lebensentwürfen. Als Kirche haben wir nicht die Berechtigung zu sagen, der eine darf, der andere nicht. Als Kirche sind wir für alle Menschen da.“

Dederichs geht davon aus, dass mit dem neuen Schützenpapier auch eine neue Aufgabe auf die Kameraden zukommt: „Wir sind bei den Flüchtlingen, die hierbleiben, in der Pflicht. Wir müssen sie in die Gesellschaft integrieren. Das sehe ich als eine wichtige Aufgabe der Schützen an. Sie leisten schon jetzt wichtige karitative Aufgaben.“

Bereits im November will der Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften bei der Hauptversammlung die Meinungen der Schützenvereine an der Basis eingeholt haben. So viel steht fest: Der Leverkusener Emil Vogt will keinen Bruch mit der Tradition haben. Aber eine Debatte um Inhalt und Auftrag der Schützen von heute hält er für überfällig.

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